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Handyüberwachung in DresdenPolizeipräsident muss gehen

Die massenhafte Speicherung von Handy-Daten in Dresden - aufgedeckt von der taz - hat erste personelle Konsequenzen. Polizeipräsident Dieter Hanitsch wurde abberufen.

Nur ein Bauernopfer? Dresdens Polizeipräsident Dieter Hanitsch. Bild: dpa

DRESDEN taz | Wegen der massenhaften Handy-Daten-Erfassung in Sachsen ist der Dresdner Polizeipräsident Dieter Hanitsch abberufen worden. Dies erfuhr die taz am Montag aus Regierungskreisen. Innenminister Markus Ulbig (CDU) bestätigte die Meldung am Rande der Sondersitzung des Innen- und Rechtsausschusses. Als Grund für die Entscheidung nannte er interne "Informationsdefizite". In Regierungskreise ist nach taz-Informationen von einem "Bauernopfer" die Rede ist. "Einer musste jetzt gehen", hieß es am Montag dazu.

Die taz hatte aufgedeckt, dass es am Rande einer Anti-Nazi-Demonstration am 19. Februar zu einer großangelegten Datenspeicherung gekommen war. Fast 140.000 Daten wurden erfasst. Inzwischen wurde bekannt, dass es sich dabei nicht um die einzige flächendeckende Funkzellenanswertung handelte. Das Innenministerium in Dresden räumte ein, dass es auch einen zweiten Fall gegeben habe. Damit steigt die Zahl der insgesamt erfassten Daten auf über eine Million.

Ursprünglich sollte diese Funkzellenauswertung zur Aufklärung von 23 Fällen dienen, unter anderem von schwerem Landfriedensbruch. Den richterlichen Beschluss dazu hat die Polizei allerdings sehr weitreichend ausgelegt und in mindestens 45 Fällen Handydaten auch in Ermittlungen gegen Blockierer einfließen lassen. Da dies offensichtlich rechtswidrig ist, hat die Staatsanwaltschaft Dresden das unterbunden und untersagt, die Daten weiter zu verwerten.

Mittlerweile erreicht die Dresdner Datensammelwut auch die Bundespolitik. So wird die Bundestagsfraktion der Grünen am Dienstag eine Kleine Anfrage einreichen. Darin wird die Regierung aufgefordert, zur Handyüberwachung in Dresden Stellung zu nehmen. Zudem will die Grünen-Fraktion wissen, ob die Regierung "gesetzgeberischen Änderungsbedarf" sieht.

Auch die juristische Aufarbeitung hat schon begonnen. Drei sächsische Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen legten Beschwerde beim Amtsgericht Dresden ein. Sie wollen gegen die Erfassung und Auswertung ihrer Handyverbindungen vorgehen. Auch die taz geht gegen die Maßnahme vor. Sechs taz-JournalistInnen legten am Donnerstag Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft Dresden ein. Sie sehen sich durch die Speicherung ihrer Handydaten in ihrer Pressefreiheit eingeschränkt und wollen die Rechtswidrigkeit der Überwachung feststellen lassen.

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10 Kommentare

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  • K
    karl

    das ist kein Bauernopfer, sondern nur eine Rochade !!!

  • D
    daweed

    @Stefan:"Und warum zum Henker bleibt der Innenminister im Amt?"

     

    sächsische Demokratie...

  • W
    weltverschnitt

    bei aller liebe, leute, toll dass ihr das aufgedeckt habt mit den handys. aber bitte schreibt das doch nicht x-mal irgendwohin. das sieht verdammt nach profilierungsgeilheit aus. immer schön die "marke" "platzieren", ungefähr so, wie hunde an jede ecke pissen. das habt ihr doch nicht nötig.

  • S
    Stefan

    Und warum zum Henker bleibt der Innenminister im Amt? Der hat doch noch vor kurzem die Datensammlung für verhältnismäßig erklärt und schmeißt jetzt seinen Untergebene raus - sauber!

  • M
    Mainzer

    Und das ist wieder einmal alles was passiert. Abberufen...

     

    Wenn die, die sich als Rechtshüter verstehen härter bestraft würden als "normale" Menschen, dann würde man der Forderung endlich mal Nachkommen, dass härtere Strafen zum Ziel führen.

     

    Aber seltsamerweise sehen diejenigen, die härtere Strafen fordern, dies bei Polizisten anders.

     

    Komische Welt manchmal

  • FB
    Franz Beer

    Mal ganz EHRLICH lieber Bürger-wissen Sie welche Daten Vater Staat über SIE gespeichert hat.Ursprünglich mal in den Anfangsjahren zur Terroristenfahndung RAF eingesetzt ,hat sich diese Sammelwut nun endlich völlig in den Genen der CDU CSU und mit kl.Abweichungen FDP etabliert.Orwells Gläsener Bürger ist inzwischen angekommen.Spätestens seit es Internet gibt,und Überwachungskameras die Städte großflächig überwachen.Mal ganz Ehrlich glauben Sie das sich die Überwachung und Datenmenge der Informationen nur duch eine Staatsanwaltliche Anordnung einbindeen läßt.Ich nicht.Also dem Staatsschutz und alle anderen Behörden die sagen WIR NICHT.Denen glaube Ich garnichts.

  • TA
    Thomas aus dem Westen

    Baueropfer, Sündenbock, ts,ts, auf jeden Fall scheinen

    ein paar Leute nervös zu werden wenn diesmal sogar ein Polizeipräsident und nicht nur irgend ein ganz kelines Würstchen seinen Hut nehmen muß....

  • M
    Mauermer

    Es ist schön, dass ein derart eklatanter Verstoß gegen unsere Grundrechte endlich einmal schnell zu entsprechenden Konsequenzen geführt hat. Zu wünschen wäre es, dass so etwas öfter geschieht. Mir fallen da ganz schnell viele Namen ein, teilweise ganz oben. Vielleicht könnte so die Achtung vor dem GG wieder hergestellt werden. Leider hat es nicht alle Verantwortlichen getroffen, aber das kann ja noch werden. Wir müssen endlich weg von der Mentalität, dass das Grundgesetz nur einen losen Rahmen vorgibt, der je nach Bedarf bedenkenlos in beliebige Richtungen erweitert werden kann. Hände weg von den Verbindungsdaten unserer Handys und des Internets.

  • G
    glotze

    Die Landespolizeidirektion Zentrale Dienste ist für die Beschaffung von Technik und deren Einsatz in der Sachsener Polizei da. Herr Hanitsch wird also dort die Macht über sämtliche Gerätschaften haben, die zum Abfilmen von Demonstrierenden und zur Ausspähung von deren Handies eingesetzt werden. Siehe http://www.polizei.sachsen.de/lpdzd/ (mit Link zum aufschlussreichen Organigramm).

    Dem Übeltäter noch mehr Spielzeug zu geben, mit dem er Schindluder treiben kann, ist echt ne tolle Bestrafung!

  • HH
    Heiko Höfle

    Man ist es gar nicht mehr gewohnt, dass so ein Verstoß auch mal Konsequenzen haben kann...

     

    Vielen Dank, liebe taz! Die Datensammlerei und die Dauerüberwachungen müssen irgendwo Grenzen haben. Schön, dass ihr für uns kämpft!