Handy-Anbieter erlaubt Dienste wie Skype: O2 bricht die Anti-Internet-Front
Bislang konnten Handy-Nutzer Netz-Dienste wie Internet-Telefonie oder Skype nicht nutzen. Ein Anbieter bricht nun die bislang einheitliche Front auf.
BERLIN taz | Bislang war mobiles Internet in Deutschland nur teilweise ein Vergnügen: Statt wie im Festnetz alle Dienste nutzen zu können, schrieben die Mobilfunker ihren Kunden ganz genau per Vertragsbedingungen vor, was sie online so alles tun und zu lassen hatten. Ganz oben auf der Verbotsliste stand die Internet-Telefonie (Voice-over-IP): Damit ist es nämlich möglich, statt zu teuren Handy-Tarifen kostengünstig online Gespräche zu führen. Ähnliche Verbote gab es für Instant-Messaging (weil es im Gegensatz zur teuren SMS nichts kostet) oder für Skype (lässt sich ebenfalls als alternativer Sprachdienst nutzen). Tabu waren außerdem stets Downloads über Peer-to-Peer-Tauschbörsen, weil die Mobilfunker fürchteten, dass ihre Kunden damit ihre angeblich so schnellen Netze zu stark auslasteten.
All die genannten Verbote setzten die Mobilfunk-Provider in einer Art geheimen Einheitsfront durch: Keiner der für durchschnittlich 30 Euro erhältlichen "Flatrate"-Tarife mit bis zu 5 Gigabyte Datentransfer im Monat erlaubte den Anbietern nicht genehme Anwendungen, da half kein Zetern und Zähneklappern und auch keine länglichen Gespräche mit der Hotline inklusive Stunden in der Warteschleife.
Doch seit dieser Woche tut sich nun endlich etwas: Der Mobilfunkanbieter O2, nach T-Mobile, Vodafone und E-Plus die Nummer vier im deutschen Markt und dadurch offensichtlich innovationswillig, möchte seiner Kundschaft im Festnetz völlig normale Internet-Dienste künftig nicht mehr verbieten. In der dazugehörigen Pressemitteilung hieß es stolz, man wolle seine Kundschaft sein mobiles Datennetz künftig "ohne Einschränkungen erleben" lassen, "egal ob Surfen, E-Mailen, Instant Messaging oder eben auch Telefonieren", so Lutz Schüler, Geschäftsführer Marketing & Sales bei O2 Deutschland. Man wolle "neue Maßstäbe" im Bereich mobiles Internet setzen. Tatsächlich bröckelt damit erstmals eine Einheitsfront, die die Anbieter seit Einführung von UMTS einte.
Aber wird dank der O2-Neuregelung mobiles Internet bei dem Anbieter nun wirklich zum "Always online"-Paradies? Leider nicht. Tatsächlich sind die Mobilfunker, die zum spanischen Telefonica-Konzern gehören, nur die ersten, die die Realität anerkennen, dass Nutzer auch mobil all das mit dem Netz anfangen wollen, was sie von zuhause kennen - mit allen Diensten und ohne Einschränkungen.
Doch soweit ist es dann doch noch nicht: Auch bei O2 ist - da besteht die Front der deutschen Mobilfunker weiterhin eisenhart - im teuersten Flatrate-Tarif bei 5 Gigabyte Datentransfer im Monat weiterhin Schluss. Ab dann werden Viel-Nutzer auf GPRS-Geschwindigkeit heruntergedrosselt, was an selige Modem- und ISDN-Internet-Zeiten in den Neunzigerjahren erinnert. Vernünftig Surfen kann man so dann nicht mehr. Und 5 Gigabyte sind nicht wirklich viel: Das entspricht etwas mehr als dem Datenvolumen einer einzigen DVD - wer hochauflösende Filme schaut, ist nach maximal drei oder vier Stück bei iTunes damit durch.
Zudem fragen sich Marktbeobachter, warum angesichts des monopolartigen Verbots regulärer Internet-Dienste durch die Mobilfunker nicht bereits die deutschen und/oder europäischen Regulierer auf den Plan getreten sind. Womöglich greift O2 hier auch schlicht entsprechenden Maßnahmen vor. Ein wenig bröckelt die Front unterdessen auch bei anderen Anbietern: So hat T-Mobile angekündigt, demnächst Internet-Telefonie-Dienste zu erlauben. Doch wird es das im Gegensatz zu O2 nicht gratis geben - eine Gebühr von rund 10 Euro ist geplant, damit der Anbieter auch ja keine Umsätze an billige VoIP-Provider verliert. Für die Kunden bleibt es unterdessen schwierig, den Dschungel im Bereich der Angebote für mobiles Internet zu navigieren: Ein Tarifwirrwarr mit zahllosen Fußnoten ist die Regel, nicht die Ausnahme. Je nach Art des Vertrags kann so dann beispielsweise passieren, dass man nicht "flat" abgerechnet wird, sondern teuer pro Kilobyte übertragener Datenmenge bezahlt. Kein Wunder, dass Verbraucherschützer entsprechende Formulierungen in den Geschäftsbedingungen regelmäßig kritisieren.
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