piwik no script img

Handelsstreit um HähnchenschenkelHuhn, in Chlor geschwenkt

Die USA drohen, wegen eines EU-Einfuhrverbots für Hähnchenschenkel den Transatlantischen Wirtschaftspakt platzen zu lassen.

Chlor desinfiziert nicht nur Toiletten, sondern auch Hühnchen. Bild: dpa

BERLIN taz Chlorbelastetes Hühnerfleisch aus den USA könnte schon bald wieder in die Europäische Union eingeführt werden. Bei dem morgigen Treffen des Transatlantischen Wirtschaftsrates in Brüssel wollen die Amerikaner die Aufhebung des Importverbots durchsetzen. Andernfalls, so ihre Drohung, wollen sie aus dem bilateralen Handelsbündnis aussteigen.

Seit elf Jahren wird nun schon über Hähnchenschenkel gestritten. Der Grund: In den USA darf Geflügel mit Chlor behandelt werden. Dadurch sollen Salmonellen abgetötet werden. Für Geflügel, das in der EU verzehrt wird, ist dieses Verfahren jedoch verboten. Chlor steht im Verdacht, das menschliche Erbgut zu schädigen.

Die EU-Kommissare für Gesundheit, Landwirtschaft und Umweltschutz fordern daher einen eindeutigen Nachweis dafür, dass von dem mit Chlor behandeltem Geflügel kein gesundheitliches Risiko für den Verbraucher ausgehe. Solange dieser Beweis aussteht, soll das Importverbot wirksam bleiben.

Amerikanische Geflügelproduzenten halten die europäischen Argumente für vorgeschoben. Wissenschaftliche Studien würden ein Risiko nie hundertprozentig ausschließen, meint die US-Hähnchenlobby National Chicken Council. Kritisiert wird zudem die Doppelmoral der Europäer. Denn chlorbehandeltes Geflügel darf zwar nicht in die EU importiert werden - wohl aber dürfen europäische Produzenten chlorbehandeltes Geflügel ins außereuropäische Ausland exportieren.

Auch Daniel Price, Wirtschaftsberater des US-Präsidenten George W. Bush, vermutet, dass nicht Konsumenten, sondern vor allem europäische Geflügelproduzenten vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden sollen. Price fordert, dass die EU diesen Protektionismus aufgebe. Ansonsten werde man den Transatlantischen Wirtschaftsrat platzen lassen. Er drückt das diplomatisch aus: Wenn die Gespräche scheitern, müsse man "die Fähigkeit des Rats infrage stellen, konkrete Lösungen zu finden". Er vertritt den Wirtschaftsrat auf amerikanischer Seite.

EU-Industriekommissar Günter Verheugen (SPD), Stellverteter der europäischen Seite, warnte bereits davor, auf das Einfuhrverbot zu bestehen. "Für die USA ist die Aufhebung des Importverbots der Lackmustest dafür, ob die EU-Kommission ein verlässlicher Partner ist", sagte Verheugen der Financial Times Deutschland.

Ein Scheitern des Handelsbündnisses zwischen EU und USA wäre auch ein Seitenhieb für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Auf ihre Initiative hin ist das Bündnis zwischen den beiden größten und reichsten Wirtschaftsblöcken vor gut einem Jahr ins Leben gerufen worden. Die EU und die USA machen 40 Prozent des Welthandels und 60 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts aus.

Der Pakt soll in erster Linie Handelshemmnisse abbauen, etwa indem technische Standards und Normen vereinheitlicht werden. Längerfristig soll auf beiden Seiten des Atlantiks ein gemeinsamer Markt entstehen, um der wachsenden Konkurrenz aus Asien gewachsen zu sein.

Dass der Wirtschaftsrat nun wegen Hühnerschenkeln in die Brüche geht, glaubt kaum jemand. Das potenzielle Handelsvolumen von Geflügel macht weniger als 1 Promille aus. Ein Einlenken der Europäer hätte hingegen große Symbolkraft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • F
    fuerTiere

    Kein Tier, ist industriell so perfektioniert worden wie das Masthähnchen. In nur 30 - 33 Tagen Mastdauer ist aus dem Eintagesküken ein Chicken - Nugget geworden. Die Hühner fristen ihr Dasein in Massivstallungen ohne Fenster.

    Die Lüftungen sind den durch die Haltung entstehenden Schadgasen, wie Ammoniak nicht gewachsen. Dadurch entsteht ein Klima in dem Pilze und Keime sich ungehindert ausbreiten. Der hohe Ammoniakgehalt in der Luft würde den Tieren die Lunge austrocknen. Um dies zu verhindern, werden die Wassertränken mit Antibiotika und/oder Wachstumsförderer versetzt. Die Neonröhren brennen fast durchgehend den ganzen Tag und die ganze Nacht, denn bei Dunkelheit fressen die Tiere nicht. Ein Masthuhn vermehrt sein

    Geburtsgewicht von 40 g um das Vierzigfache auf 1,6 kg in einem Monat. Doch die schnelle Gewichtszunahme kostet ihren Preis: Es gibt Probleme beim Laufen, Belastungen der Bein -, und Hüftgelenke und Knochenkrankheiten.

    Häufig führt das energiereiche Futter selbst in der Kürze der Mastzeit zu Leberschäden und in Folge dessen zu Bauchwassersucht. Die Qualität des Endproduktes ist eine mindere, da die permanente Sauerstoffunterversorgung der Tiere zu einem niedrigen ph -Wert führt, wodurch qualitativ schlechtes

    Fleisch entsteht.

     

    Das Drama für die Tiere erhöht sich durch die enge Belegung in den Ställen. In einer Mastanlage können Tausende von Hühnern gehalten werden. Eine Folge der drangvollen Enge wäre das Federpicken. Um dies zu verhindern werden den Hühnern häufig wie am Fleißband die Oberschnäbel beschnitten, wobei es

    immer wieder passiert, dass dem Huhn zu nahe an der Nasenöffnung der Schnabel abgeschnitten wird. Der Oberschnabel ist vergleichbar mit der Oberlippe des Menschen.

     

    Um nachzuvollziehen wie groß das Leiden der Hühner in Mastanlagen ist, muss man sich vergegenwärtigen, dass Hühner wie alle Vögel schmerzempfindlich und

    leidensfähig sind. Sie besitzen Nerven, die schmerzhafte Reize weiterleiten, und sie reagieren auf solche Reize mit Verhalten, welches Angst und Schmerz zeigt.