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Handelskampf mit Tradition

Spektakuläre Wirtschaftskriege in Wort und bisweilen auch Tat, dafür waren die USA und die EG in den vergangenen zwanzig Jahren noch allemal gut. Niemand im erlauchten Kreis der westlichen Industrieländer hat dem interessierten Wirtschaftsbeobachter dramatischere Handels–Händel geboten, als die beiden gigantischsten Wirtschaftsräume der Welt (Bruttosozialprodukt der USA 1985: 11.372 Milliarden DM, EG: 7.987 Mrd., z. Vergl.: Japan als nächstgrößter Block: 3.847 Mrd.; nach Wechselkursen von 1980) . Bedeutungsvoll sind die Zwistigkeiten insbesondere deshalb, weil beide Streit–B(l)öcke den Welthandel dominieren. Sie sind der Welt größte Exporteure. Die Tatsache indes, daß sich allein die BRD im vergangenen November als Ausfuhrnation Nr.1 , absolut gerechnet, an den USA vorbeigemogelt hat (ganz zu schweigen von der Gesamt–EG), zeigt die unterschiedliche Abhängigkeit vom Außenhandel unter Berücksichtigung des Sozialproduktes. Aber auch weil die EG der nach außen am dichtesten gegen Importe aus Drittländern abgeschottete Markt ist, gehen den Handelspolitikern und Wirtschaftsmagnaten der USA leichter drohende Worte über die Lippen. Sie haben bei Krisen im Welthandel weniger zu verlieren als die EG. Besonders geschickt hat sich Washington in der Vergangenheit dabei verhalten, als es darum ging, ihre wirtschaftspolitische Interessenvertretung mit angeblichen Sicherheitsnotwendigkeiten zu begründen. Der inzwischen legendäre Hähnchenkrieg in den 60er Jahren um Federvieh–Exporte aus den USA in die EG war dabei nur ein Vorgeschmack auf die 80er Jahre, das Jahrzehnt der transatlantischen Handelsauseinandersetzungen. - Es wurde sehr trefflich eingeleitet durch Kanzler Schmidt mit seinen penetrant–weisen Ratschlä gen an Präsident Carter in Sachen Inflationsbekämpfung. - Ganz beglückt über den polnischen Militärputsch 1981/82 regte Reagan unbeschwert an, man möge doch alle Kredite an das verschuldete und total darniederliegende Ostblockland sofort aufkündigen - wohl wissend, daß dadurch in erster Linie der aufblühende Osthandel, ein Standbein der EG–Konkurenz, und die EG– Banken mehr als Kratzer abbekämen. Erst die Retourkutsche des bundesdeutschen Industrie– und Handelschefs Otto Wolf (“dann könnten ja auch gleich die Lateinamerikakredite, an denen die US– Banken hängen, zum Platzen gebracht werden“) ließ den Vorschlag zur Episode werden. - Ähnlich motiviert schoß sich die Reagan–Regierung auch gleich noch auf das Jahrhundertgeschäft des europäischen Osthandels ein: Das Erdgasröhrengeschäft wurde mit dem Bannstrahl belegt. Mit dem Verbotsspruch an alle US–Firmen und ihre europäischen Filialen, sich an dem Projekt zu beteiligen, sollte das Geschäft mit dem Teufel UdSSR zur Hölle geschickt werden, wie man unverblümt eingestand. Der Strahl ging nach hinten los, die Aufträge übernahmen europäische Konzerne. - Als die absehbaren Folgen des US–Weizenlieferembargos gegenüber der UdSSR nach deren Einmarsch in Afghanistan unübersehbar wurden, entbrannte ein Agrarstreit mit der EG. Da die Farmer des mittleren Westens auf ihren unverkäuflichen Getreidebergen sitzen blieben, verscherbelte man 1983 größere Posten davon staatlich subventioniert zu Dumpingpreisen in Nordafrika, was die EG als ihren angestammten Exportmarkt ansah. Erbost ließ man fortan keine Ölsaaten, Maiskleber und andere Leckereien für unser liebes Vieh aus den USA mehr ins Land. - Bei den Attacken Reagans auf Libyen zu Zeiten des Öltiefstpreises 1986 können wirtschaftspolitische Motive ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Ein Donnergrollen der arabischen Öl–Welt hätte zu allererst der darniederliegenden US–Ölbranche genutzt. Die Kostenstruktur der energieabhängigen Exportindustrie der EG und Japans wäre dagegen erneut gewaltig durcheinandergewirbelt worden. - Als die Autoindustrie Anfang der 80 Jahre weltweit in den Abgrund zu fahren drohte, erzürnte ein ums andere Selbstbeschränkungsabkommen Japans über Lieferungen in die USA die EG– Wirtschaft. Durchaus mobil wurden die Autoströme aus Fernost kurzerhand nach Europa weiterverschifft. Rufe nach Importrestriktionen wurden in der EG immer lauter. - Die staatliche Subventionierung der europäischen Stahlindustrie nahm die US–Konkurrenz 1983 zum Anlaß, vor heimischen Gerichtsschranken erfolgreich gegen die ihrer Ansicht nach zu billigen Stahlimporte vorzugehen, obwohl nach EG–Ansicht in den USA kein den Importen vergleichbarer Edelstahl produziert wird. - Rund um die Weltwährungstagung im letzten Herbst entbrannte heftigster Streit um die richtige Währungspolitik: Die US–Zentralbank wollte die DM fester an den sinkenden Dollar ketten. Wenn man schon in den USA wieder eine inflationäre Politik fährt, um so die gigantischen eigenen Schuldenberge abzutragen, so wollte man dies nicht allein durchziehen - Jüngstes Glied in dieser Kette ist das Zurückdrängen europäischer Werkzeugmaschinenexporte in die USA gegen Ende des vergangenen Jahres. Und noch einen Auftragsbrocken über 100 Flugzeuge (wie im vergangenen Oktober) dürfte die subventionierte europäische Airbusindustrie in den USA kaum losschlagen können. Die Klageschriften Boeings und McDonnell–Douglas sind bereits ausgearbeitet. Ulli Kulke

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