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Handbuch zu Facebook-LöschungenNippel nein, Fleischwunde ja!

Nazis und Sex auf Facebook? Wer das nicht will, klickt den "Melde"-Button. Was dann passiert, zeigt ein Handbuch, das jetzt veröffentlicht wurde.

Pornostars meiden Facebook, stillende Mütter protestieren lieber. Bild: photocase / m!ra

Kiffende Jugendliche, ein zerquetschter Kopf oder ein Blutbad sind auf Facebook kein Problem. Wer aber Bilder postet, auf denen Nippel einer Frau zu sehen sind, muss damit rechnen, dass Facebook sie löscht. Das machen Moderatoren. Und die haben Vorgaben, was geht und was nicht geht.

Ein Handbuch gibt einen Einblick, wie Facebook intern funktioniert. Amine Derkaoui (21) aus Marokko hat die geheimen Richtlinien des Handbuchs dem Magazin Gawker in den USA zugespielt.

"Wie wärs, ich komme rüber und fick dich in den Arsch". Das darf laut Handbuch jeder schreiben, weil Analsex nicht explizit ist. Der Satz "Ich liebe es, frisches, heißes Sperma zu trinken" werde gelöscht, da es sich um "sexually explicit language" handelt. Auch verboten: "sexual solicitation". Der Satz "Ich suche nach Mädchen, die Spaß haben wollen. Schreibt mir, wenn ihr was erleben wollt", ist verboten.

Wenn eine explizite sexuelle Handlung nicht ernst gemeint ist, dürfen Moderatoren ein Ausnahme machen. "Oh, da krieg ich eine harte Erektion" wäre, je nach Kontext, okay. Harmlose Bilder von grapschenden Menschen, heißt es, sind erlaubt. Küssen dürfen sich "sogar gleichgeschlechtliche Partner".

Das Handbuch reagiert damit auf den Protest, der ausgelöst wurde, als Facebook ein Bild von küssenden Schwulen zensierte. Facebook zensiert alles, was nackt ist und mit Sex zu tun hat. Das heißt: Weibliche Nippel nein, männliche Nippel okay. "Camel toes" sind nicht erlaubt, männliche Hosenbeulen auch nicht.

"Hate Speech"

Auch Bilder von gequälten Tieren sind zu löschen. Zeigen Bilder, wie bedrohte Tierarten gejagt werden, müssen sie "eskaliert" werden, das heißt höhere Instanzen von Facebook sollen entscheiden, was mit den Bildern geschieht. Drohungen, Hassreden, rassistische Äußerungen und die Leugnung des Holocaust – allesamt "hate speech" – werden gelöscht. Auch brennende türkischen Fahnen müssen sofort in den Mülleimer. Die Fahnen anderer Länder dürfen brennen.

Die Richtlinien für Moderaoren reagieren auf Proteste gegen Facebook und werden ständig erneuert. Dass "Art nudity" okay ist, geht wohl auf die New Yorker Art Akademy zurück, die sich beschwert hatte, weil Facebook die Bilder eines Malers nackter, schwangerer Frauen gelöscht hatte. Photos von stillenden Müttern bleiben aber weiterhin verboten. Der Protest von stillenden Müttern konnte daran nichts ändern. Am Donnerstag riefen sie deshalb erneut im Guardian dazu auf, Profilbilder zu erstellen, das sie beim Stillen zeigen.

Mit 845 Millionen Nutzern und wohl tausenden Meldungen täglich hat Facebook, das weltweit 3.200 Mitarbeiter zählt, allerhand zu tun. Facebook erachtet es deshalb als hilfreich, "Dritte zu beauftragen, damit sie bei einem kleinen Anteil der gemeldeten Inhalte eine erste Klassifizierung bereitstellen." Die Firma Odesk aus Kalifornien ist eine davon. Amine Derkaoui (21) aus Marokko sei Angestellter von Odesk. Laut dem Magazin Gawker erhielt er einen Stundenlohn von 1 Dollar.

"Es ist erniedrigend, Facebook beutet Dritte-Welt-Länder aus", sagte Derkaoui zu Gawker. Eine Sprecherin von Facebook erläuterte der taz: "Die Vertragspartner unterliegen strengsten Qualitätskontrollen." Zu der Frage, ob auch gemeldete Inhalte deutscher Nutzer in "Dritte-Welt-Ländern" überprüft werden, wollte Facebook sich nicht äußern.

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14 Kommentare

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  • H
    Hintergrund

    etwas hintergrund zu dem ganzen.

     

    http://tinyurl.com/cr9o8zr

     

    still in progress, aber verlinkbar ist es schon.

  • T
    Themaverfehlung

    das unternehmen, das die leute beschäftigt hat, heißt oDesk.

     

    oDesk hatte im jahr 2009 einen mindeststundensatz für die dritte welt festgesetzt. und stellte, für FBs grandiosen jahresgewinn, nun leute für ein drittel davon ein.

     

    http://forum.spiegel.de/f22/facebooks-wertekanon-kiffen-ja-nippel-nein-54917-7.html#post9697902

  • R
    r.kant

    Da kommt man mal etwas auf die Moslems zu und es passt den Leuten wieder nicht. Zeig doch mal nackte Brüste in Afghanistan oder dem Irak, die Leute würden auf die Barrikaden gehen. Und wenn's dann einige Tote gibt stört's aber nicht!

  • L
    leser

    Ist das ein Scherz? Oder nehmt Ihr wirklich an, dass ausser Euch niemand SpOn liest? Das grenzt ja schon ans Raubkopieren...

     

    http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,816847,00.html

  • N
    nichtvermietbar

    zensur von sexuellen inhalten erlebt man bei fast allen amerikanischen firmen. so auch bei google plus.

  • S
    Seraquael

    @uuu: Das ist relativ einfach erklärt. In den Staaten hängt der gesellschaftliche Status eng mit der Religionsgemeinschaft zusammen der man angehört, je reicher und einflussreicher man ist desto konservativer wird in der Regel die Kirche, die dann ja auch im Wahlkampf unterstützend tätig wird und dafür gewisse 'Meinungen' erwartet. Andererseits sind die USA auch eine knallharte Marktwirtschaft und solange ein Millarden-Dollar-Bedarf da ist, wird den keiner verbieten. In Amerika ist alles erlaubt, solange es im Verborgenen bleibt, denn trotz immer neuer Umsatzrekorde ist es nicht einfach in den Staaten einen Porno zu kaufen. In normalen Videotheken gab und gibt es keine und Sexshops sind nur in bestimmten Vierteln zu finden in die sich eigentlich kein normaler Mensch traut. Aber INet und die gute alt Post gibts ja zum Glück auch noch.

    Gruß Sera

  • MM
    Mirko Malessa

    Abschalten.

     

    Fall gelöst.

  • K
    Kai

    "Konsequenterweise ist es auch nicht richtig, daß z.B. im Schwimmbad Frauen Bikini tragen müssen, aber Männer oben ohne rumlaufen dürfen."

     

    Die Brüste einer Frau gehören zumindest laut Sexualforschung zu den sekundären Geschlechtsorganen (wurde zu meiner Zeit auch noch in Bio gelehrt)! Und was an irgendeiner Form von Diskriminierung positiv sein soll, verstehen nur Rassisten und ähnliche denkende Menschen. Genau so kann ich die Apartheit in Südafrika als positive Diskriminierung hinstellen, da sie Minderheiten, die wenig Land besitzen bestimmte Vorteile einräumt um sich besser zu artikulieren...

  • K
    Karli

    Wen interessiert Facebook?

  • U
    uuu

    Was passiert eigentlich schlimmes, wenn ein US-Amerikaner einen Nippel zu Gesicht bekommt? Und warum hat das gleiche Land die größte Porno-Industrie der Welt, könnte da vielleicht ein Zusammenhang bestehen?

  • G
    gesche

    erinnert mich an die taz. eine harmlose empfehlung zu liebestechniken, die ich bei einem artikel über die alkoholbedingte impotenz vieler russischer männer posten wollte, wurde zensiert. auch die kritik an einem wischiwaschi-vegan-artikel.

    rechte, ausländerfeindliche, sexistische sachen kann man hier aber problemlos posten, da wird nix zensiert.

  • H
    Herbert

    Facebook kann doch machen was es will. Es ist eine Plattform, die von einer Firma zur verfügung gestellt wird. Wer diese Plattform benutzt, muss sich an die Regeln halten.

    Ich benutze kein Facebook, weil mir die Unternehmenspolitik nicht passt. Wer Facebook nutzt, stimmt den Nutzungsbedingungen zu und sollte seine klappe halten.

    Es gibt ja alternativen zu Facebook, die nicht so Propaganda- und Zensurdurchsetzt sind.

  • MD
    Martin D.

    "Weibliche Nippel nein, männliche Nippel okay."

     

    Das kann man als schwulenfeindlich oder positive Diskriminierung ansehen, denn das was für Heteromänner weibliche Nippel sind, das sind für Schwule die männlichen.

     

    Konsequenterweise ist es auch nicht richtig, daß z.B. im Schwimmbad Frauen Bikini tragen müssen, aber Männer oben ohne rumlaufen dürfen.

  • S
    Simon

    Es kommt mir so vor als würden viele Sachen gelöscht werden die "facebook" einfach nicht hören möchte Kritik an Politikern z.B.