Handball: Eine Mannschaft will nach oben
Die Füchse Berlin feiern sich selbst mit einer großen Sause in der Arena am Ostbahnhof. Da macht's fast gar nichts, dass man 27:35 gegen den TBV Lemgo verliert.
Die Nebelmaschinen arbeiteten auf Hochtouren. Es folgte ein kleines Feuerwerk, eine Lasershow und später trat noch die Kölner Kultband BAP auf. Ein Handballbundesligaspiel gab es auch zusehen. Doch das war letztlich nebensächlich. Bob Hanning, der Geschäftsführer der Reinickendorfer Füchse Berlin, schwärmte, das mit dem Feuerwerk und dem BAP-Konzert habe sehr gut geklappt. "Ich hab das alles genossen, trotz des Resultats."
Ungeachtet der deutlichen 27:35-Niederlage gegen den TBV Lemgo bezeichnete Hanning die Premiere in der neuen Arena am Ostbahnhof als "gelungenes Experiment". Von Anfang an hatte man das Gefühl eher einem Festakt als einem Ligaspiel beizuwohnen. Vereinspräsident Frank Steffel, der für die CDU im Abgeordnetenhaus sitzt, sprach vor der Partie feierlich von einem historischen Tag für den Handballsport in Berlin. In der ausverkauften Halle begrüßte er 14.800 Zuschauer. So viele Menschen hatten in der Stadt noch nie ein Handballspiel gesehen.
Die Füchse feierten sich selbst. Sie blickten zurück auf die Zeit vor gut drei Jahren, als mit der Verpflichtung von Hanning der steile Aufstieg aus der Zweiten Liga begann. Die imposanten Wachstumsraten des Etats (von 100.000 auf über 3 Millionen Euro) sowie der Besucherzahlen (früher kamen 300) wurden allseits ins Gedächtnis gerufen.
Den Porsche ausgeliehen
Bildlich gesprochen hatten sich die Füchse an diesem Tag den neuen Porsche von Alba und den Eisbären ausgeliehen, den beiden Erfolgsteams der Stadt, die seit kurzem in der Arena ihre Heimspiele austragen. Und trotz des Fehlstarts - 0:5 nach nur knapp sieben Minuten - genossen die Mannen rund um Hanning die Außenwirkung der getunten Kiste. Mit der Show in der neuen High-Tech-Halle wollte man die nächste große Etappe auf dem Weg nach ganz oben einläuten.
Die klare Niederlage gegen Lemgo verstörte kaum einen. Das lag zum einen daran, dass die Berliner gegen Spitzenteams der Liga bislang meist chancenlos waren. Nur bei den außer Form spielenden Hamburgern erkämpfte man sich ein Unentschieden. Zum anderen reichen die sportlichen Darbietungen der Füchse traditionell nicht an die Entertainment-Kunst der Vereinsführung heran. Der Matchwinner der Lemgoer erinnerte daran. Es waren am Samstag noch nicht einmal 20 Minuten gespielt, da erzielte der überragende Michael Kraus mit dem 13:6 bereits seinen siebten von zehn Treffern. Jener Kraus, mit dem sich Hanning vor anderthalb Jahren in einem Berliner Cafe "erwischen" ließ. Anderntags titelten die Boulevardzeitungen: "Füchse verhandeln mit Nationalspieler". Sie waren einer Marketingaktion von Hanning zum Opfer gefallen. Wie dieser später zugab, hatte er die Presse vorab über den Cafebesuch informiert. Ein Wechsel von Kraus wäre aber nie Thema gewesen, weil der Verein sich ihn ohnehin noch nicht leisten könne.
Ausgerechnet Kraus war nun maßgeblich dafür verantwortlich, dass Füchse-Trainer Jörn-Uwe Lommel resümieren musste: "Heute hat man gesehen, wo unsere Grenzen liegen." Bislang hatten seine Schützlinge in dieser Saison einen weiteren Schritt nach vorne gemacht. Waren die Füchse letzte Saison als Aufsteiger noch im Abstiegskampf verstrickt, hat man sich nun im Mittelfeld der Tabelle etabliert. Nächste Saison will man ganz nach vorne. Hanning hatte nach der Partie gegen Lemgo genau vor Augen, was dafür getan werden muss: Die Verpflichtung eines Abwehrchefs, der das Spiel dirigieren kann, eines Linkshänders und eines internationalen Spitzentorwart. Wenn möglich, sagte er, würde er gerne bereits im Winter einen dieser Transfers tätigen. Die dafür nötige Aufstockung des Etats um 800.000 Euro betrachtet er als realistisches Unterfangen.
Ende der Fahnenstange
Auf dem Weg nach oben werden einige aus dem Team auf der Strecke bleiben. Hanning berichtete, dass man mit dem Torwarttalent Jens Vortmann offen darüber gesprochen habe, dass er womöglich bald nicht mehr benötigt wird. Die vom Geschäftsführer so häufig propagierte "Berlinalisierung" des Vereins stößt hier an seine Grenzen. Und es wird auch darüber gemunkelt, Coach Jörn-Uwe Lommel, der das bundesligataugliche Team formte, passe Hanning für die anvisierten höheren Aufgaben nicht mehr ins Konzept. Als vor kurzem kolportiert wurde, Lommel habe ein Angebot aus Tunesien, versicherte Hanning ihm ein wenig zu schnell, er werde ihm keine Steine in den Weg legen. Lommel sagte nämlich, an dem Gerücht sei gar nichts dran.
So langsam beginnt man sich zu fragen, wann beim bisher perfekt durchkalkulierten Aufstieg der Füchse das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Berufsoptimist Hanning sieht noch viel Spielraum. Er kündigte am Wochenende an, man werde überlegen, ob man in der nächsten Saison öfter als drei Mal in der neuen Arena am Ostbahnhof antreten werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!