Handball: Stadt, Land, Tor

Dass die TSV Burgdorf nun in der ersten Bundesliga spielt, findet man dort, im hannoverschen Umland, natürlich erstmal schön. Aber es bedeutet auch viel Neues und viel Verantwortung auf und neben dem Spielfeld.

Kein Durchkommen: Das mit den Gegentoren haben sie bei der TSV Burgdorf derzeit im Griff. Bild: Thomas Bork

Plötzlich, weil einer zwei Sekunden vor Spielschluss gegen die TSG Friesenheim ein Tor wirft, schnellt die TSV Burgdorf in die Handball-Bundesliga. Und was sehr plötzlich geht, braucht später umso mehr Zeit.

Bis zur zweiten Liga spielte die TSV in der Turnhalle der Gudrun-Pausewang-Schule in Burgdorf, 400 Zuschauer passen da rein. Burgdorf, 20 Kilometer östlich von Hannover, hat 30.000 Einwohner. Und CP-Pharma, ein Unternehmen der Tiermedizinbranche. Unternehmensgründer Bernd Gessert ist einer der Gesellschafter der Handball GmbH.

Ansonsten sei Burgdorf "ländlich geprägt", sagt TSV-Pressesprecher Holger Staab. Was sich insofern bei den Handballern niederschlägt, als dass der Landwirt Alfred Peters auch einer der GmbH-Gesellschafter ist. Gesellschafter drei und vier sind Dieter Rohles und Hanno Staab, Versicherungsbranche. Hanno Staab wiederum ist der Bruder des Pressesprechers, und beide Staabs haben früher Handball gespielt.

Wer ein Heimspiel der TSV in der AWD-Hall in Hannover besucht, etwa das gegen den finanziell klammen Tabellennachbarn aus Dormagen, der erlebt eine Mischung aus Stadt, Land und Fluss. Eine Show vor dem Spiel und in den Pausen, dass einem die Trommelfelle platzen, mit viel "Humba" und "tätärä", und allem, was knülle macht. Dazu ein Hallensprecher, der brüllt, als säße er auf einer heißen Herdplatte. Das ist die Stadt.

Da ist aber auch eine Frau, die den Schweiß wegwischt, den die Spieler auf dem Hallenboden verteilen, wenn sie dort zu liegen kommen. In Kiel oder beim HSV sind diese Frauen ein Teil der Show: knappe Trikots, auffällige Farben. In Burgdorf sieht die Frau so aus, als sei sie eine Reinigungskraft. Das ist das Land. Und der Fluss, die Leine, sorgt dafür, dass es immer ein bisschen feucht ist, rund um die Halle.

Die TSV, gegründet 1912, spielte bis 1995 immer in der dritten und vierten Liga. Und nun, als TSV Hannover-Burgdorf, gegründet 2005, zum ersten Mal Bundesliga. Das kann weh tun, wenn es so richtig daneben geht. Das kann eine Strafe werden, dafür gibt es Beispiele in diversen Sportarten. Aber nun haben die Burgdorfer schon zwei Spiele gewonnen, gleich das erste gegen den Mit-Abstiegskandidaten Balingen-Weilstetten, wo Rolf Brack, der Vater des Burgdorfer Spielers Daniel, Trainer ist. Und das gegen Dormagen.

Burgdorf hat, wie Sprecher Staab stolz aufzählt, "eine riesige Jugendabteilung": 23 Teams und 250 Spieler. In jeder Altersgruppe, bei den Mädchen wie bei den Jungs, spielt ein TSV-Team in der höchsten Liga. "Einmalig in Deutschland", sagt Staab. Die Burgdorfer Handballer sind keine Profis. Frank Habbe etwa macht eine Ausbildung zum Polizisten, Alexander Hübe ist Energieelektroniker, Torwart Jendrik Meyer Industriekaufmann. Aber die meisten sind Sportlehrer.

Weil man ein wenig zu viele Tore kassierte, haben die Verantwortlichen den Keeper Nenad Puljezevic verpflichtet, 36, zuletzt beim serbischen HC Kolubana. "Ohne Ablöse", behauptet Staab. Bei der WM 2007, für die Ungarn, sei der "ein Kracher" gewesen, "aber das ist zwei Jahre her". Weitere Verpflichtungen seien nicht geplant, sagt Staab. Die Entscheidungen trifft Gessert.

Puljezevic wird auf 110 bis 115 Kilogramm geschätzt, die Hose trägt er knapp unter den Brustwarzen, wie man das in den 80ern so machte. Gegen Dormagen sitzt er erstmal auf der Bank, kommt zu einem 7-Meter aufs Feld, gibt dem Schützen, Michiel Lochtenbergh, sehr höflich den Ball, zieht die Hose stramm, zupft am zeltartigen Sweatshirt, wehrt den Ball mit dem Fuß ab, ballt die Faust, geht wieder auf die Bank. Großer Auftritt.

"Durch den Aufstieg ist was auf uns hereingebrochen", sagt Staab: Nach 26 Jahren wieder Erstligahandball in Hannover, zuletzt war das der PSV. "Die Leute wollen Erstligahandball sehen", behauptet TSV-Trainer Frank Carstens, 38 und, klar, Sportlehrer, "und zwar mehr als eine Saison."

Auf den ersten Auswärtspunkt warten sie in Hannover und in Burgdorf übrigens immer noch: Bei der HSG Wetzlar verlor man an diesem Sonntag deutlich mit 21 : 29.

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