Handball-WM der Frauen: Die Stimmung stimmt

Kapitänin Kim Naidzinavicius ist endlich richtig fit. Auch deshalb gehen Deutschlands Handballerinnen voller Zuversicht in die nächsten Spiele.

Zwei brasilianische Handballerinnen versuchen Kim Naidzinavicius aufzuhalten

Keine Scheu vor Körperkontakt: Kim Naidzinavicius im Spiel der Deutschen gegen Brasilien Foto: wolf-sportfoto/imago

Der Anfang war schon mal gar nicht so schlecht. Vergangenen Samstag sind die deutschen Handballerinnen mit einem zumindest in dieser Deutlichkeit nicht erwarteten 30:24-Sieg gegen Brasilien in die WM gestartet. Nur einen Tag später ließen sie ein 34:8 gegen Australien folgen. Zwei Spiele, zwei Siege – ziemlich genau so hatte sich das Kim Naidzinavicius schon vorab vorgestellt. „Der Start ins Turnier wird sehr wichtig sein“, hatte die Mannschaftskapitänin des DHB-Teams da gesagt.

Der Satz kommt – auch wenn in ganz anderem Kontext – aus berufenem Munde. Denn wie es sich anfühlt, wenn der Beginn eines solchen Turniers danebengeht, hat die große Blonde aus dem deutschen Rückraum am eigenen Leib und äußerst schmerzlich erfahren müssen. Bei der Heim-WM vor zwei Jahren kam das Ende für Naidzinavicius bereits nach 137 Sekunden.

Gleich bei einem der ersten Angriffe der deutschen Mannschaft im Eröffnungsspiel gegen Kamerun riss ihr Kreuzband im linken Knie. Als „bittersten Moment meiner Karriere“ beschreibt Naidzinavicius diesen Augenblick. Ohne ihre Anführerin schied die deutsche Mannschaft bereits im Achtelfinale mit 17:21 gegen Dänemark aus.

Das kann zwar in Japan immer noch passieren, schließlich warten mit Dänemark (Dienstag, 12.30 Uhr), Titelverteidiger Frankreich (Mittwoch, 11 Uhr) und Asienmeister Südkorea (Freitag 11 Uhr) die härtesten Brocken in der Vorrundengruppe B noch auf die deutsche Mannschaft und nur die jeweils besten drei Teams aus den vier Gruppen werden in die Zwischenrunde versetzt. Zumindest der Auftakt aber ist schon mal gemacht.

Olympia im Kopf

Folgen soll mindestens Platz sieben, der die Teilnahme an einem der drei Qualifikationsturniere zu den Olympischen Spielen nächsten Sommer in Tokio garantieren würde. „Olympia ist nicht nur im Hinterkopf, sondern im Kopf. Olympia ist ein Riesentraum von uns allen“, sagt dazu Naidzinavicius. Nicht zuletzt mit Blick auf sich selbst fügt sie an: „Für einige von uns ist es wohl die letzte Chance.“ 28 ist sie jetzt. Da bleiben in der Tat nicht mehr all zu viele Möglichkeiten, das „Nonplusultra“ zu erreichen, wie Naidzinavicius die Teilnahme an den Spielen nennt. „Ich will unbedingt dahin“, sagt sie.

Für eine ehemalige Junioren-Weltmeisterin (2008) wie sie ist das ein nur nachvollziehbarer Traum. Von ihrer eigenen Leistung wird es maßgeblich abhängen, ob er in Erfüllung geht. Naidzinavicius ist die Erfahrenste (103 Länderspiele) und Torgefährlichste (259 Länderspielspieltore) im jungen deutschen Team. Mannschaftskapitänin ist sie ohnehin. „Kim ist eine ganz, ganz wichtige Säule in meiner Mannschaft. Sie besitzt große Führungsqualitäten“, sagt Henk Groener, der Bundestrainer. Für andere ist die Rechtshänderin von der SG BBM Bissingen sogar die einzige Spielerin von absoluter Weltklasse, über die Deutschland derzeit verfügt.

Allzu sehr unter Druck setzen lassen will sich Naidzinavicius von den Erwartungen und Ansprüchen, die das schürt, indes nicht. „Als Kapitänin will ich ohnehin immer vorangehen“, entgegnet die zweifache deutsche Meisterin stattdessen.

Nach zwei verlorenen Jahren – dem Kreuzbandriss 2017 folgte im vergangenen Jahr ein Riss des Innen- und Außenmeniskus im selben Knie – kann sie das endlich wieder. „Abgehakt“ seien die Verletzungen. „Ich versuche das auszublenden“, sagt sie. Selbst nach starken Belastungen schmerze das linke Knie nicht mehr mehr als das rechte.

Der Bundestrainer ist froh darüber. „Ihre Ruhe und sicheren Pässe haben uns im Vorjahr gefehlt“, stellt Henk Groener im Rückblick auf die EM, die das DHB-Team ohne Naidzinavicius auf Platz zehn beendet hatte, fest. In Japan nun soll und muss es mehr werden, schon wegen der Sache mit Olympia. Dabei ist es ein äußerst junges Team, dem Naidzinavicius da vorsteht. „Dass es uns noch an Erfahrung fehlt, können wir nicht abstreiten. Das ist einfach so“, sagt die deutsche Spielführerin. Nur als Nachteil sieht sie das indes nicht: „Für manche ist es das erste große Turnier. Das kann auch einen extra Schub Energie mitbringen.“

Zudem hilfreich und produktiv könnte sich die gute Laune auswirken, die unter Groener, seit knapp zwei Jahren Bundestrainer, Einzug in die Mannschaft gehalten hat. „Wir haben eine sehr harmonische Truppe. Es macht richtig Spaß“, sagt Naidzinavicius. Besonders gut gefällt ihr, dass der Holländer die Spielerinnen in seine Entscheidungsfindung einbindet, Eigenverantwortung ist eines von Groeners Schlagwörtern. Was damit gemeint ist, beschreibt seine Spielführerin so: „Henk erwartet von uns, dass wir uns selbst extrem mit unseren Gegnern beschäftigen, weil er der Meinung ist, dass man sich Sachen besser einprägt und lernt, wenn man sie sich selbst erarbeitet hat.“

Wie weit das die Mannschaft in Japan führt, muss sich zeigen. Immerhin: Der Anfang ist gemacht.

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