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Handball Oliver Roggisch, Teammanager der Männernationalmannschaft, zum Auftakt des olympischen Turniers über Migranten im Handball – und die Erfolgsaussichten in Rio„Vermarktung ist immer eine Typfrage“

Interview David Joram

taz: Herr Roggisch, fehlt den deutschen Handballern ein Jérôme Boateng?

Oliver Roggisch: Sie wollen sicher auf die Thesen von Herrn Eilenberger in der Zeit hinaus. Diesen Text haben wir im Fe­bru­ar alle gelesen.

Darin hat er den Handballsport hierzulande als „kartoffeldeutsch“ bezeichnet, weil Spieler mit Migrationshintergrund im Nationalteam fehlen. Bei der Fußballnationalmannschaft ist das anders. Haben Sie eine Erklärung?

In anderen Ländern spielt der Handball einfach keine Rolle. Wir in Deutschland spielen kaum Kricket, obwohl das woanders unheimlich populär ist. Wenn nun Menschen zu uns kommen, die in ihrem Heimatland vor allem Fußball gespielt haben, dann sagen die: Klar, wir spielen auch in Deutschland Fußball.

Das erklärt aber nicht, dass Menschen, die einen Migrationshintergrund haben und hier geboren sind, im Nationalteam gänzlich fehlen.

Fußball ist einfach omnipräsent. Der zieht die meisten Kinder weg. Die anderen Sportarten müssen den Rest aufteilen. Da gibt’s Basketball, Volleyball und und und. Und viele andere schöne Dinge. Deswegen finde ich Herrn Eilenbergers These sehr, sehr seltsam. Zudem sind wir längst dabei, verstärkt auf Kinder und Jugendliche aller Nationalitäten zuzugehen.

Wie sieht das konkret aus?

Das geht vor allem über die Schulen. Wir sind mit Startrainings und Grundschulaktionstagen präsent, erreichen so auch viele Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund.

Künftig sehen wir also auch beim Handball Boatengs?

Spielern mit einem deutschen Pass stehen alle Türen offen. Der Hintergrund spielt keine Rolle. Derzeit gibt es leider keine entsprechenden Spieler im DHB-Team. Daran muss man arbeiten, keine Frage.

„Wenn Fußball Merkel ist, ist Handball Petry.“ Wie finden Sie diesen Satz, ebenfalls aus der Zeit ?

Darüber möchten wir eigentlich überhaupt nicht nachdenken, weil wir von der AfD meilenweit weg sind. Deswegen war es für uns unglaublich schwer, zu verstehen, wie man auf dieses Thema überhaupt kommt.

Auch von „völkisch-homogen“ war die Rede.

Als ich das las, musste ich aufhören, weil es mir kalt den Rücken runterlief. Ich finde es schwierig, sich dazu überhaupt verteidigen zu müssen, weil wir davon weit weg sind. Gar nichts sagen geht aber natürlich auch nicht.

Oliver Roggisch

37, ist der Oliver Bierhoff des deutschen Handballs. Seit 2014 fungiert er beim Deutschen Handballbund (DHB) als Teammanager. 2007 gewann er mit der Auswahl als Spieler den Weltmeistertitel. „Nur habe ich kein Golden Goal erzielt“, sagt Roggisch zum Bierhoff-Vergleich.

Und was sagen Sie nun?

Dass wir unglaublich weltoffen sind. Und noch mal: Gäbe es Spieler mit Migrationshintergrund, die Talent für die ­Nationalmannschaft mitbringen, würden die spielen. Vielleicht sollten sich einige mal unsere Frauennationalmannschaft und die jüngeren Jahrgänge anschauen: Da gibt es Spielerinnen mit Migrationshintergrund – und die Handballbundesliga der Männer steht für interna­tionales Miteinander.

Wie beurteilen Sie das Team von Katar inzwischen? Die Spieler werden dort ja aus aller Welt mit Ölmillionen angelockt.

Ich mache Katar wegen seiner „Internationalmannschaft“ keinen Vorwurf. Im Handball sind die Regeln so, dass Spieler beliebig oft zwischen den Ländern wechseln können. Deutschland hat früher ebenfalls von dieser Regelung profitiert, wenn ich an die nuller Jahre mit Oleg Velyky oder Andrej Klimovets denke. Wir dürfen uns nicht beschweren.

Wobei in Katar diese Regelung doch sehr extrem ausgenutzt wird, oder?

Ich glaube schon, dass es überhandnimmt. Wollen wir diesen Weg? Dass Spieler für Geld dreimal die Nationalität wechseln in ihrer Karriere? Für mich wäre das undenkbar gewesen. Aber: Jeder muss für sich selbst entscheiden. Die Regeln geben dies nun mal her; wer sie nutzt, sollte dafür nicht verurteilt werden.

Katar ist Mitfavorit beim Olympiaturnier von Rio. Wer noch?

Frankreich, Dänemark und Kroa­tien sind ganz heiße Kandidaten für die Goldmedaille.

Und Deutschland, immerhin jüngst Europameister?

Ich zähle uns und vier, fünf andere Teams zum erweiterten Kreis. An einem guten Tag können wir jeden schlagen. Das ist das Ziel. Immer funktioniert das natürlich nicht.

Fehlt den Deutschen ein Superstar wie der Franzose Nikola Karabatić oder Dänemarks Mikkel Hansen?

Tatsächlich stellt sich zunächst mal die Frage: Was ist ein Superstar? Einer, der gut Handball spielen kann? Oder einer, der gut spielen kann und sich gut vermarktet?

Bitte beantworten Sie zuerst die Vermarktungsfrage.

Es gibt fraglos sehr gute Handballer, die keine Lust haben, sich zu einem Superstar aufbauen zu lassen; die kein Insta­gram, Twitter, Facebook oder was auch immer haben. Trotzdem sollte man das im Blick haben, es gehört einfach dazu. Wir brauchen Leute wie Karabatić, die das ganze Theater mitspielen. Er ist in Frankreich für den Handball ein Zugpferd, weltweit aber genauso.

Tatsächlich wird mit deutschen Handballern immer noch Stefan Kretzschmar verbunden, der 2004 zurücktrat. Wer probiert sich aktuell als Nachfolger?

Im Moment deckt Andreas Wolff diesen medialen Part ganz gut ab. Andere könnten das von ihrer Klasse her vielleicht auch, aber das ist immer eine Typ­frage.

Fehlen solche Typen vielleicht auch in Großstadtvereinen, damit der Handball dort erfolgreich sein kann? Ein Spitzenverein wie der HSV Hamburg ist pleitegegangen.

Ich kenne die Interna nicht. Und es ist auch nicht mein Job, dies zu beurteilen.

Ganz grundsätzlich können Sie die Szene aber sicher einschätzen.

Klubs müssen Risiken eingehen, wenn sie sportlich erfolgreich sein wollen. Es kommt dann vor, dass der Etat eben nicht am ersten Tag gedeckt ist; und Spieler werden verpflichtet, obwohl das Geld fehlt.

Ist das nicht etwas blauäugig kalkuliert?

Oft springt ein Sponsor kurzfristig auf. Und gerade in Hamburg stehen eigentlich genug potenzielle Geldgeber bereit. Was da nicht funktioniert hat, weiß ich nicht.

Vielleicht weil Handball immer noch ein provinzieller Sport ist?

Dieses Image hatte er zu meiner Zeit teilweise noch, keine Frage. Ich komme ja selbst aus dem Handballerdorf Schutterwald [7.000 Einwohner, bei Offenburg, Baden-Württemberg, ; Anm. d. Red.]. Aber der Handball ist aus den Dörfern rausgekommen, was übrigens auch dringend nötig war. Es gab ein zunehmendes Zuschauerinte­res­se, das Ganze musste wachsen.

Was müssen die Handballverbände noch von ihren Fußballkollegen lernen?

Der Fußball ist ganz klar breiter aufgestellt, alles Faktor 50. Konkret müssten wir mehr in Marketingstrategien investieren, was wiederum höhere Kosten verursacht und ein höheres Risiko. Allerdings haben wir eine unglaublich geile Sportart, davon müssen die Sponsoren überzeugt werden.

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