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Handball-EuropameisterschaftPolitische Schläger

Beim Halbfinale zwischen Serbien und Kroatien sorgen 5.000 Polizisten für Sicherheit. Wird das Spiel Ersatz-Schauplatz einer unbeglichenen Kriegsrechnung?

Kroatische Handball-Fans während des EM-Spiels gegen Ungarn. Bild: reuters

BELGRAD taz | Am Freitag spielt in Belgrad Serbien gegen Kroatien im EM-Halbfinale. Es ist ein Albtraum: Wenn die "Lieblingsfeinde" gegeneinander spielen, geht es für viele Serben und Kroaten nicht nur um sportliche Nachbarschaftsrivalität, sondern um eine symbolische Begleichung unbeglichener Kriegsrechnungen aus den 1990er Jahren.

Der Puls der Fans schlägt höher, die Erregung ist größer, die Schadenfreude nach einem Sieg süßer, als wenn man gegen eine andere Nation spielt. Und für Hooligans ist es ein auserlesener Anlass, sich auszutoben. Hier kann man sich tragen lassen von "patriotischer" Euphorie, die nackte Gewalt bekommt eine politische Dimension. Das ist doch etwas ganz anderes, als wenn man sich mit Hooligans eines rivalisierenden Sportklubs prügelt. Serbische Hooligans sind vorwiegend junge Männer, Teenager, die bei Sportsmanifestationen den serbisch-kroatischen Krieg durchleben. Als er begann, waren sie noch gar nicht geboren.

Ein Prozess der Vergangenheitsbewältigung hat nicht stattgefunden, nicht einmal im Ansatz. Die Stimmung vor dem serbisch-kroatischen Halbfinale ist aufgeheizt. Rund 5.000 Polizisten und Mitglieder von Sondereinheiten sind im Einsatz und sollen für Sicherheit in und um die Arena und in der City sorgen. Das Innenministerium ist gewarnt: In der Nacht auf Mittwoch wurden kroatische Handballfans in Novi Sad nach dem Spiel gegen Frankreich überfallen.

Guter Dinge nach dem überzeugenden Sieg machten sich die Besucher aus Kroatien auf den Weg nach Hause. Nach Augenzeugenberichten versperrte ein Wagen in einem Vorort von Novi Sad der kroatischen Autokolonne den Weg. Maskierte Männer griffen die Fans an - mit Steinen, Schlagstöcken und Äxten. In den Autos befanden sich auch Kinder und Frauen. Drei kroatische Staatsbürger wurden verletzt, mehrere Autos demoliert.

Die serbische Polizei nahm 13 Personen in Haft. Unter ihnen bekannte Hooligans und Mitglieder rechtsextremer Organisationen. Seit über einem Jahrzehnt versucht die serbische Justiz vergebens, gut organisierte Schlägertrupps hinters Gitter zu bringen, die in Sportklubs verankert und mit nationalistischen Organisationen verflochten sind, mit politischen Parteien und Teilen der serbisch-orthodoxen Kirche.

Der serbische Polizeidirektor Milorad Veljovic entschuldigte sich nach dem Vorfall in Novi Sad. Er bot kroatischen Sportfans Polizeischutz rund um die Uhr an. Doch der Ansturm von Fans aus Kroatien könnte ausbleiben. Der kroatische Handballverband und Reiseveranstalter wollen eine organisierte Reise nach Belgrad absagen. Es sei nicht wert, Menschenleben zu gefährden und sich die Busse zerschlagen zu lassen, zitierte das kroatische Fernsehen Handballfans. Zumal trotz massiven Polizeiaufgebots in der Nacht auf Donnerstag zwei Autos mit kroatischen Kennzeichen in Novi Sad in Brand gesetzt worden sind. Kroatische Hooligans kündigten Rache an.

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9 Kommentare

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  • B
    bultacoelbandito

    Warum schreibt die TAZ auf Ihren Sportseiten nicht über Handball - Dänemark ist im Finale gegen Serbien - das hätte ein guter Sportjournalist auf der Seite 1 - Was hier geschrieben ist ist billige Springerpressejournalismus - Ihr solltet euch schämen -

     

    Bultacoelbandito - Spanien ist wie Frankreich raus!

  • M
    marko
  • K
    Kralj

    Geschichte wird immer von Siegern geschrieben und die Serben haben nicht gewonnen - soviel steht mal fest.

     

    Sport hat aber rein gar nichts mit Politik zu tun und ist davon streng zu trennen, das hat der Autor leider nicht verstanden. Idioten und Krawallbrüder gibt es immer, die Frage ist aber immer, ob und wie man darüber berichtet und dafür ein ganzes Land in Geiselhaft nehmen will. Wenn ich die Berichterstattung der deutschen (Sensations-?)Presse in den vergangenen Wochen und Monaten revue passieren lasse, scheint bei Bundesligaspielen etwa auch ein hohes Aggressionspotential vorhanden zu sein: Wird das in der TAZ bald auch angeprangert und soziologisch untersucht?

     

    Ich hoffe auf ein friedliches Spiel zweier Mannschaften, die sich nach dem Schlusspfiff die Hände reichen und den Sieger in einem sportlichen Wettkampf ausmachen, Politik hat damit nichts zu tun!

  • A
    Antonio

    ZUR INFO: 2009 als die EM in Kroatien stattfand waren fast garkeine Serben anwesend, obwohl ihre mannschaft gespielt hat. die kroaten jedoch haben den mut nach belgrad zu kommen, nur ist peinlich wenn die serben dann kroatische familien angreifen, und dass kroaten serben verpruegelt haben sollen hoere ich zum ersten mal.

  • M
    Makeze

    ...und immer wieder höre ich Serben sich beschweren und sagen: "Die Anderen waren genauso schlimm. Immer werden aber nur wir Kritisiert!" aber ich habe noch nie von einem Serben gehört: "Ja das war ganz schlimm was da im Namen unseres Landes passiert ist. Die Vergangenheit meiner Nation ist mir sehr unangenehm." Es wird immer nur auf die anderen Verwiesen. Es ist aber egal was die anderen gemacht haben. Man ist eben nur für sich selber verantwortlich. Wenn man bereit ist seine eigenen Fehler einzugestehen, egal ob andere es auch tun, dann erlangt man den moralischen Vorteil, nicht andersherum. Ich bin Deutscher und Brite und habe oft in der Familie den WWII Konflikt durchdiskutieren müssen. Solange aber kein Kanzler, Präsident oder Aussenminister anfängt zu sagen: "Ach, der Holocaust, wer hat denn das Konzentrationslager erfunden?" bin ich mit der deutschen Vergangenheitbewältigung völlig d'accord. Mehr muss man dann nämlich auch nicht verlangen.

  • V
    virus

    Andersrum spielt sich dasselbe ab.

     

    Angebliche Kroatin: Jugoslawisch gibt es nicht/gab es nie...

  • S
    Supelka

    interessant wäre es auch gewesen in ihrem Artikel "Zadar 2009" zu erwähnen. Wo Kroaten serbische Fans verprügelt haben und ihre Autos demoliert wurden. Beide Seiten nehmen sich nicht viel, und es ist schade das die Serben nicht die Chance genutzt haben sich mal besser zu stellen als die so hochgelobten Kroaten.

  • M
    Milanmar

    Wie schon immer werden die "Serben" als böse Buben dargestellt. Das ein Tag zuvor Kroatische Huligans in Novi Sad einen 15-jährigen Jungen (der im Kostüm des Handball-Maskotchen war) verprügelt haben , wird im Zusammnehang nicht berichtet, sonder gleich eine "unbeglichene Kriegsrechnung" postuliert. Ein 15 Jähriger der für gute laune sorgen soll wird verprügelt- nochmal von bösen Jungs aus Kroatien.Immer das gleiche Spiel seit 20 Jahren. Über die bösen Jungs aus Serbien wird imer berichtet, aber über die bösen Jungs aus Kroatien wird geschwiegen. Böse Jungs sind böse Jungs egal welcher Nationalität. Sicherlich soll auf Gewalt nicht Gewalt folgen, aber auch in diesem Bericht wird nur die halbe Warheit erzält. Über die maximale Bemühung der Stadt Novi Sad für eine gute Gastfreundlichkeit wird nicht Berichtet. Das der Kroatische Handballtrainer sehr zufrieden ist mit dem Gastgeber wird nicht berichtet, das die Leute die Schnuze voll haben von den Kriegsfolgen wird nicht berichtet,... Nein es soll weiter das Bild von den bösen Serben geschürt werden. Die Feinheiten der Rhetorik haben wir schon vor 20 Jahren festgestellt die von den Medien während des Krieges in Bosnien verbreitet und angewendet wurden: bei Angriffen durch die Bosnischen-Serben hies es die "SERBEN" (das Volk), bei Angriffen durch die Kroatischen-Bosnier hies es "die Kroatischen Einheiten"...haben den Anschlag verübt.

    Auch in diesem Text von Herrn Andrej Ivanji werden die Kroaten bezeichnet als :...kroatische Handballfans...,...Drei kroatische Staatsbürger...

    Und nochmal wer als Gast (Kroatische Fans) zu einem Handballspiel kommt und auf einen 15-Jährigen Jungen draufdrescht ist bereits ein Hoouligan und hat mit den Konflikt angefangen, da hat der Krieg damit nichts zu tun.

    Das interesante ist der Abschlusssatz:...Kroatische Hooligans kündigten Rache an...das ist nur bilige Stimmungsmache. Konflikte sollten nicht kulminieren, sonder jeder der kann sollte versuchen den Konflikt abzumildern.

    Also bitte, liebe Autoren bitte etwas neutraler, diffiziler, unparteiischer und ohne Stimmungsgemache Berichten, es gibt Leute die Lesen Eure Texte.

  • A
    anonym

    es ist schon traurig immer noch so zu agieren... in deutschland gehen kroaten überhäuft in serbische dikotheken und hören `narodna`... umgekehrt gehen serben auch zusammen mit kroaten `feiern`.... naja ich bin kroatin, mit einem serben verheiratet und wir haben alle den deutschen pass.... wir fühlen uns als deutsche... unsere kinder werden deutsch erzogen, jedoch sollen sie die muttersprache können, welche einmal ´jugoslawisch`war....