: Hammadi und die seltsame Kanzlei Mahlberg
Im Prozeß gegen den Libanesen Mohamad Ali Hammadi befaßt sich das Gericht mit den Ex-Anwälten des Angeklagten / Vater und Sohn Mahlberg boten dem BKA Teilnahme am Mandantengespräch an / Noch immer herrscht Unklarheit über das Alter Hammadis ■ Aus Frankfurt Heide Platen
Untersuchungsgefangene haben im Gefängnis das Recht, Gespräche mit ihren VerteidigerInnen unbelauscht und ungestört von den Ermittlungsbehörden zu führen. Dieses Recht wurde bisher in der Bundesrepublik selten verletzt. Das Angebot, das die renommierte Bonner Anwaltskanzlei Mahlberg dem Bundeskriminalamt im vergangenen Jahr machte, dürfte relativ einmalig für diesen Berufsstand sein. Die Anwälte, Vater und Sohn, offerierten den Ermittlungsbeamten im Herbst 1987 die Teilnahme am Mandantengespräch. Das Amt, erklärte Kriminalhauptkommissar B. als Zeuge im Prozeß gegen den Libanesen Mohamad Ali Hammadi, habe dieses Ansinnen abgelehnt.
Wie die beiden Herren überhaupt in das Verfahren gegen den wegen Flugzeugentführung, Mord und Sprengstoffdelikten angeklagten Hammadi hineinkamen, bleibt rätselhaft. Das Frankfurter Landgericht befaßte sich im zur Zeit laufenden Verfahren gegen Hammadi mit dieser Frage bisher nur am Rande. Die Anwälte besuchten den in Frankfurt-Preungesheim einsitzenden Angeklagten jedenfalls das erste Mal zusammen mit den aus dem Libanon eingeflogenen Eltern und mit Beamten des Bundeskriminalamtes. Hammadi sagten sie, sie seien „von Freunden“ geschickt worden. Wenn er mit ihnen zusammenarbeite, erläuterte Mahlberg dem Angeklagten, könne er „die Dauer seines Prozesses selbst bestimmen“. Hammadi habe, so Beamter B., dieses Angebot auf der Stelle und „ohne Rückfragen“ akzeptiert. Ob dabei, wie Hammadi behauptet, zwecks Vertrauensbildung auch ein Schreiben in arabischer Schrift vorgelegt wurde, bleibt ungeklärt. Der BKA-Beamte will dergleichen nicht gesehen haben.
Die Anwälte Mahlberg erwiesen sich in der nächsten Zeit als ausgesprochen rührig. Hatte den ersten Besuch der Eltern einschließlich Hotelkosten und einer Zahnprothese für Mutter Hammadi - noch das Bundeskriminalamt finanziert, griffen sie beim zweiten Besuch selbst tief in die Tasche. Sie zahlten eine einwöchige Rundreise durch die Bundesrepublik inklusive einer Reise nach West-Berlin. Woher das ganze Geld für die zweite Reise denn gekommen sei, will die Verteidigerin Steck -Bromme bei der Verhandlung wissen. Vom BKA jedenfalls nicht. Kommissar B.: „Ich habe nichts mehr bezahlt.“ Er sei allerdings informiert gewesen über die Reise.
Zweifel an dieser Behauptung des BKA-Beamten waren aufgetaucht, als eine Zeugin aus dem Saarland aussagte, die libanesischen Gäste seien nicht nur von Rechtsanwalt Mahlberg sen. und einer Dolmetscherin begleitet worden, sondern auch von einem jüngeren Beamten des Bundeskriminalamtes. Im Zeugenstand ließ sich die Aussage nicht erhärten. Die geschiedene Ehefrau des in Düsseldorf zu 13 Jahren Haft verurteilten Bruders von Mohamad Ali Hammadi, Abbas, erklärte das mögliche Mißverständnis. Vorgestellt habe sich der Jüngere nicht. Sie habe aber gedacht, der sei vom BKA, denn: „Bei uns kommt doch kein Besuch mehr, wo nicht einer vom BKA dabei ist.“
Verwirrung hinterließ die Firma Mahlberg nach ihrem Abgang nicht nur im Saarland, sondern auch im ganzen Verfahren. Sie komplizierte das Rätselraten um das wahre Alter Hammadis enorm. Ehe der Angeklagte den möglicherweise von falschen „Freunden“ geschickten Anwälten das Mandat entzog, ließen sie die Ermittlungsbehörden wissen, daß Hammadi erheblich jünger sei als angenommen. 1968, nicht, wie er auch selbst behauptet hatte, 1964, sei der junge Mann geboren. Zur Tatzeit im Sommer 1985 wäre er dann gerade 17 Jahre alt gewesen. Das ließen sie auch schon beim ersten Gespräch in der Gefängniszelle die Eltern des Angeklagten wissen. Hammadi beauftragte dann, laut Dolmetscher, seinen Vater, „die Sache mit dem Personenregister in Beirut in Ordnung zu bringen“.
Soviel Hilfsbereitschaft, eigentlich schon besessener Übereifer, sollte einen Mandanten eher freuen. Hammadis Begeisterung hielt sich möglicherweise in Grenzen, als die Kanzlei Mahlberg dem BKA im Dezember 1987 ein Geständnis ihres Mandanten übergab. Er bekannte sich darin zur Entführung der TWA-Maschine. Unterschrieben war das Papier allerdings nur von Matthias und Lothar Mahlberg. Es keimte der Verdacht auf, Hammadi habe möglicherweise mit Dienern zweier Herren zu tun bekommen. ProzeßbeobachterInnen vermuteten hartnäckig, der Chemie-Konzern Hoechst habe die beiden Bonner Herren engagiert, um für den mittlerweile seit anderthalb Jahren im Libanon entführten Manager Rudolf Cordes um gut Wetter bei seinen Entführern zu bitten. Wenn die Vermutung zutrifft, daß der zahlreiche Hammadi-Clan an dessen Entführung beteiligt war, hat der Konzern allen Grund, an Hammadis Schicksal Anteil zu nehmen und den Kontakt zur Familie zu pflegen.
Im 'Spiegel‘ vom 18.Juli wird eine Beziehung zwischen dem anrüchigen Agenten Werner Mauss und der Kanzlei Mahlberg hergestellt. Mauss habe schon bei der Freilassung des Siemens-Technikers Alfred Schmidt aus den Händen der schiitischen „Hizb'allah“, der auch die Hammadis zugerechnet werden, mitgemischt, hieß es.
Hammadi schweigt sich über sein wahres Alter auch weiterhin aus. Aus Unterlagen für einen Asylantrag im Saarland geht hervor, daß er am 13.6.1964 geboren sein könnte. Dieses Datum ist allerdings durch kein Dokument belegt.
Eine Mitarbeiterin der zuständigen Ausländerbehörde sagte aus, sie habe Hammadi kennengelernt, als ihre Behörde Akten von einem anderen Amt übernommen habe. Der Bogen Hammadis sei mit dem Geburtsdatum versehen gewesen. Sie habe es wieder gestrichen. Laut Dienstanweisung dürfen Daten nur aus dem gültigen Paß oder Ausweis des Asylbewerbers entnommen werden, wenn er kein Personenregister oder ein anderes Dokument dieser Art vorlegen kann. In Hammadis libanesischem Paß aber habe das Geburtsdatum gefehlt. Die von ihm gemachten eigenen Angaben habe sie nicht akzeptieren können. Hammadi selbst sagt mittlerweile, er habe sich bei dem Amt damals „ein bis zwei Jahre“ älter gemacht, weil er seine schwangere deutsche Freundin habe heiraten wollen, die auch erst 17 Jahre alt gewesen sei. Durch das Verfahren geistert außerdem noch das Gerücht, sein Vater habe ihn im Libanon den Behörden gegenüber älter gemacht als er wirklich sei. Verwunderlich ist immer noch, daß der 21.Geburtstag, der ihm das Verfahren vor dem Jugendgericht sichert, just einen Tag vor der Entführung der TWA-Maschine am 14.6.1985 gewesen sein soll. Hammadi würdigte damals seinen Ehrentag, indem er der Familie seiner deutschen Freundin - nach sieben Monaten Schweigen - das erste Lebenszeichen schickte. Er sandte eine bunte Postkarte aus Griechenland.
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