Hamburgs Wattenmeer: Insulaner fürchten Naturschutz

Hamburger Senat will den Schutzstatus im Nationalpark und auf der Insel Neuwerk verschärfen. Das gefällt nicht allen Einwohnern. Sie bangen um ihre Existenz.

Blick vom Cuxhavener Festland übers Wattenmeer: auf die Insel Neuwerk Foto: dpa

HAMBURG taz | So richtig gut gelaunt wird Volker Griebel heute nicht zu einer Anhörung vor dem Umweltausschuss der Bürgerschaft ins Hamburger Rathaus kommen. „Wir brauchen einen Konsens zwischen Natur und Mensch“, sagt der Inselwart von Neuwerk, dem Hamburger Eiland vor der Elbmündung im Wattenmeer. Der Senat aber will auf Druck der EU die Naturschutzbestimmungen im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer, zu dem Neuwerk gehört, verschärfen. Doch die vorgesehenen Auflagen und Bedingungen seien „nicht praktikabel, um es höflich auszudrücken“, sagt Griebel als Sprecher der 30 Einwohner auf Neuwerk.

Hamburg hat es versäumt, seine von der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU geschützen Gebiete in einen nationalen Schutzstatus zu überführen. Deshalb drohte die EU vor zwei Jahren empfindliche Geldbußen an – und flugs legte der Senat einen Gesetzentwurf für den Nationalpark vor, der jetzt im Parlament zur Debatte steht. Und der sieht erhebliche Verschärfungen vor, um den Nationalpark in einem „vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand zu entwickeln“.

So soll zum Schutz der vielen bodenbrütenden Vögel auf der Insel eine Leinenpflicht für Katzen und ein Badeverbot für Hunde eingeführt werden, Drohnenflüge und Kitesurfen werden untersagt, die Landwirtschaft soll gentechnikfrei werden, „um mögliche genetische Wechselwirkungen mit wildlebenden Organismen zu unterbinden“, wie es in der Senatsdrucksache heißt.

Auch bleibt eine Vergrämung oder Bejagung von Gänsen und anderen Rastvögeln untersagt. Für Fraßschäden will Hamburg keine Entschädigungen zahlen, denn die Gänsewiesen gehören der Stadt. Den Landwirten wurde die Pacht weitgehend erlassen, das müsse reichen. „Im Übrigen sind die Schäden zu dulden“, heißt es in der Drucksache.

Inselwart Griebe, der zusammen mit zwei Neuwerker Hoteliers und einem Rechtsanwalt vor dem Umweltausschuss die Interessen der Insulaner vertreten will, hält das alles für „fragwürdig“. Wie auf den anderen Wattenmeer-Inseln in Schleswig-Holstein und Niedersachsen auch sollten ihrer Ansicht nach die Häuser und Höfe im umdeichten und bewohnten Inneren, dem Binnengroden, aus dem Nationalpark entlassen werden. Faktisch herrscht dort ein Bauverbot.

Es sei schwierig für die Hotels und Pensionen, in der Saison Arbeitskräfte vom Festland zu holen, weil sie diese kaum unterbringen können. Der Tourismus aber mit rund 100.000 Besuchern jährlich ist die Haupteinnahmequelle der Insulaner.

Für die beiden kleinen Kinder auf Neuwerk gilt, wie in ganz Hamburg, der Rechtsanspruch auf eine Kitabetreuung, aber für eine Kindergärtnerin gibt es keine Unterkunft. „Die bewohnten Teile Neuwerks müssen sich entwickeln können“, sagt Griebel, „sonst sterben wir aus“.

Und auch gegen die Gänse müsse etwas getan werden dürfen, fordert der 63-Jährige. Vor Jahren rasteten hier im Herbst und Frühling noch etwa 3.500 Ringel-, Brand- und Weißwangengänse, inzwischen sind es bis zu 15.000. „Die fressen alles kahl und scheißen die Weiden zu“, sagt Griebel. Inzwischen würden sogar die Deiche geschädigt, weil unter der zentimeterdicken Kotschicht das Gras nicht mehr wachse.

„Wir sind nicht gegen den Nationalpark“, versichert der Inselwart. „Aber wir dürfen auch nicht die Überlebensfähigkeit Neuwerks gefährden.“ Wie der Umweltausschuss und die Bürgerschaft dazu stehen, zeigt sich am heutigen Abend.

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