Hamburgs Staatsanwalt verteidigt Razzia beim Freien Senderkombinat: Die Unbelehrbaren
Trotz des Rüffels des Bundesverfassungsgerichts hält die Hamburger Staatsanwaltschaft die Razzia beim Sender "Freies Sender Kombinat" für rechtens.
HAMBURG | taz Das Bundesverfassungsgericht hat im Januar dieses Jahres klare Worte gesprochen: Die Durchsuchung des alternativen Rundfunksenders "Freies Sender Kombinat" (FSK) am 25. November 2003 auf richterlichen Beschluss war verfassungswidrig.
Das gilt auch für die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft bei der Razzia in Art und Umfang. "Die Mitnahme und Ablichtung redaktioneller Unterlagen greifen in die Rundfunkfreiheit ein", urteilten die Karlsruher Richter.
Das sieht die Staatsschutzabteilung der Hamburger Staatsanwaltschaft immer noch anders. "Die Mitnahme der Unterlagen war erforderlich, um den vagen Tatverdacht gegen den Beschuldigten Pomrehn zu erhärten", sagt Staatsanwalt Henning Todt.
Rückblende: Im Oktober 2003 sendete FSK ein Gespräch mit dem Pressesprecher der Hamburger Polizei, Ralf Kunz. FSK-Journalist Werner Pomrehn hatte das Telefonat über Vorkommnisse auf einer Demonstration heimlich, also ohne Kunz vorher zu informieren aufgezeichnet. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin ein Verfahren wegen "Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes" ein.
Obwohl die Polizei einen Mitschnitt der FSK-Sendung hatte, beantragte die Staatsanwaltschaft - in Hamburg regierte gerade der Schwarz-Schill-Senat - beim Ermittlungsrichter einen Durchsuchungsbeschluss, um den Tonträger sicherzustellen.
30 Polizisten stürmten am Nachmittag des 25. November den Sender. Obwohl sich Pomrehn als Urheber zu erkennen gab, begannen die Fahnder mit ihrer Durchsuchung, durchwühlten redaktionelle Unterlagen, lichteten Mitarbeiterlisten ab und fertigten Grundriss-Skizzen an.
Das Amtsgericht und das Landgericht billigten später das Vorgehen der Ermittler, die Verfassungsrichter erklärten indes schon den Durchsuchungsbeschluss für verfassungswidrig und gaben den Rest des Komplexes zur erneuten Entscheidung beziehungsweise zur Feststellung der Rechtswidrigkeit an das Hamburger Amtsgericht zurück.
In einer Stellungnahme verteidigt die Anklagebehörde ihr Vorgehen weiterhin. "Auch unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zur Rundfunkfreiheit war die Mitnahme der Unterlagen und die Anfertigung von Kopien ein angemessenes Mittel", schreibt Todt.
Die Eingriffe in Grundrechte seien "in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Straftat" gerechtfertigt gewesen. Gegen Pomrehn ist später vom Oberlandesgericht eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen worden.
Für FSK-Anwalt Carsten Gericke ist die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft ein Affront: Die Bindungswirkung einer Verfassungsgerichtsentscheidung werde in "vielfacher Hinsicht gröblichst verkannt", sagt Gericke.
Die Verfassungsrichter hätten festgestellt, dass die "Instanzgerichte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Sicherstellung und Sichtung von Redaktionsunterlagen in verfassungswidrigerweise unterlassen haben".
Durch die eigenmächtige Beschlagnahme ohne Gerichtsbeschluss "maßte sich die Staatsanwaltschaft eine Kompetenz an, die ihr der Gesetzgeber zum Schutz der Rundfunkfreiheit gerade nicht einräumt", sagt Gericke. "Trotz der Ausführungen des Verfassungsgerichts hat sie dies bis heute noch nicht erkannt."
Ein Gerichtsentscheid wird im Oktober erwartet.
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