Hamburgs Grüne nach der Wahl: Der eine tritt vor, die andere zurück
Die Grünen stehen vor Koalitionsverhandlungen mit der SPD. Doch nun treten überraschend die Fraktionschefs zurück – in unterschiedliche Richtungen.

Bemerkenswert ist, wie verschieden die Wege sind, die die beiden nach der für die Grünen deprimierenden Hamburg-Wahl gehen: Während der zum Realo-Flügel gehörende Lorenzen nun die Koalitionsverhandlungen mit führt, um anschließend wohl in die Riege der SenatorInnen aufzusteigen, zieht sich die linke Jasberg in die zweite Reihe zurück und kritisiert dabei den Mitte-Kurs ihrer Landespartei.
Auf Jasberg und Lorenzen sollen die bisherige innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Sina Imhof, und der Fraktionssprecher für Flucht und Religion, Michael Gwosdz, folgen. Das ist das Ergebnis einer Fraktionssitzung am Montagabend. Dabei war mit einer Entscheidung, wer in der neuen Legislaturperiode die Fraktion führen soll, eigentlich erst für die Zeit nach den Koalitionsverhandlungen gerechnet worden.
„Nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschieden, nicht erneut für das Amt der Vorsitzenden der Grünen Bürgerschaftsfraktion zu kandidieren“, erklärte jedoch, früher als erwartet, Jasberg. Sie begründet ihren Rückzug von der Spitze zum einen mit der hohen Arbeitsbelastung, zu der auch „viel Befindlichkeitsmanagement“ gehöre, worunter ihre körperliche und mentale Gesundheit leide.
Grüne verloren ein Fünftel WählerInnen
Zum andern kritisiert sie aber auch den in den vergangenen Jahren verfolgten Mitte-Kurs ihrer Landespartei, gegen den sich die dezidiert Linke Jasberg häufig vergeblich zu stemmen versucht hatte. „Der Versuch, vor allem die politische Mitte anzusprechen, war nicht erfolgreich“, konstatiert sie angesichts der Verluste bei der Hamburg-Wahl Anfang März.
Da mussten die Grünen Verluste von rund einem Fünftel ihrer ehemaligen WählerInnen hinnehmen. „Besonders aus dem linken Spektrum erreichten mich viele Rückmeldungen, dass Vertrauen verloren ging, etwa durch den Umgang mit Geflüchteten oder innenpolitische Entscheidungen“, sagt Jasberg.
Ihre Hinweise auf den von den Grünen mitgetragenen Umgang mit Geflüchteten sowie auf innenpolitische Entscheidungen der rot-grünen Koalition lassen sich nicht nur als Kritik an den im Senat sitzenden Grünen lesen, die etwa die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete mitgetragen haben, sondern auch als Kritik an ihren NachfolgerInnen – sind Imhof und Gwosdz in der vergangenen Legislatur doch FachsprecherInnen ihrer Fraktion zu den beiden Themen gewesen.
Beide sollen nach der am Montag noch nicht bindenden Abstimmung am Mittwoch offiziell in ihre neuen Positionen gewählt werden, wenn die neugewählte Bürgerschaft erstmals zur neuen Wahlperiode zusammenkommt. Ob sie ab dann allerdings die ganze Fraktion hinter sich haben, ist ungewiss.
Obwohl sich neben Imhof und Gwosdz am Montagabend niemand aus der Fraktion als GegenkandidatIn bewarb, erhielten die beiden nach taz-Informationen lediglich 13 von 24 Stimmen. „Meinen NachfolgerInnen wünsche ich Kraft, Erfolg und eine gute Hand für die anstehenden Aufgaben“, sagte, passenderweise, der scheidende Fraktionschef Lorenzen.
Neben Lorenzen sollen die Koalitionsverhandlungen mit der SPD auf Grünen-Seite von Katharina Fegebank (Zweite Bürgermeisterin), Anjes Tjarks (Verkehrssenator), Anna Gallina (Justizsenatorin) sowie den Landesparteichefs Maryam Blumenthal und Leon Alam geführt werden.
Auch der freiwillig scheidende Umweltsenator Jens Kerstan verhandelt noch mit, ehe er sich aus der Politik zurückzieht. Auf ihn dürfte Lorenzen folgen. Fraglich scheint jedoch, ob er dann wie sein Vorgänger auch noch für die Energiepolitik zuständig ist – der SPD wird nachgesagt, das Thema gern der SPD-geführten Wirtschaftsbehörde zuzuschlagen.
Beide Parteien hoffen, bis Ende April mit den Verhandlungen fertig zu sein.
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