Hamburgs Flüchtlingspolitik: Härter als die Ahlhaus-CDU
Gericht befindet Umgang der Ausländerbehörde mit schwangerem Flüchtling für rechtswidrig. Unter der CDU war es laut Ärztekammer humaner.
HAMBURG taz | Ärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery hat Innensenator Michael Neumann (SPD) aufgefordert, seinen „Umgang mit schwangeren Flüchtlingen endlich zu revidieren“ und „die Frauen im letzten Drittel ihrer Schwangerschaft nicht mehr auf andere Bundesländer umzuverteilen“. Anlass für diesen Appell ist ein Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) in einem Eilverfahren, das die Neumann unterstellte Ausländerbehörde verpflichtet, eine hochschwangere Westafrikanerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes keineswegs „umzuverteilen“.
Die 29-Jährige hatte sich Anfang Februar bei der Ausländerbehörde gemeldet und eine Duldung beantragt. „Sie befand sich zu diesem Zeitpunkt ausweislich eines ärztlichen Attestes bereits in der 30. Woche einer Risikoschwangerschaft“, sagt ihre Anwältin Daniela Hödl.
Umverteilen statt dulden
Statt über die Duldung zu entscheiden, kündigte die Ausländerbehörde an, die Schwangere umzusiedeln, obwohl sie nicht reisefähig war. Aufgrund dieser Entscheidung der Behörde – die erstinstanzlich vom Verwaltungsgericht zunächst nicht beanstandet wurde – konnte die Frau trotz des nahenden Geburtstermins weder Sozialleistungen noch Krankenversicherungsschutz beantragten.
Schon allein die Ankündigung der Umverteilung sei vermutlich rechtswidrig, sagt nun das OVG. „Für die hochschwangere Antragstellerin, die in drei Wochen die Geburt ihres Kindes erwartet“, so das Gericht, sei „die Duldung vor allem wegen der Übernahme der Behandlungs- und Entbindungskosten relevant“ gewesen. Anwältin Hödl hat nun Innensenator Neumann aufgefordert, eine klare Weisung herauszugeben, „dass bei fortgeschrittenen Schwangerschaften Umverteilungen zu unterbleiben haben, um den Schutz der Schwangeren zu gewährleisten“.
SPD hat CDU-Regelung zum Schutz von Schwangeren gekippt
Eine solche Regelung gab es in Hamburg bereits. Der damalige CDU-Innensenator Christoph Ahlhaus hatte im Jahr 2010 nach Intervention der Ärztekammer und mehrerer Flüchtlingsinitiativen entschieden, Frauen, deren Schwangerschaft die 26. Woche erreicht hat, nicht mehr auf andere Bundesländer zu verteilen.
Zuvor war es bei einer Ghanaerin zu einer Totgeburt gekommen, nachdem diese in die Unterbringung im mecklenburgischen Horst geschickt und dort nicht optimal medizinisch versorgt worden war. Der neue SPD-Innensenator Neumann aber hatte die Ahlhaus-Weisung wenige Monate nach seiner Amtsübernahme Ende 2011 kassiert.
Die Ausländerbehörde will es wieder tun
Eine Praxis, die die Ausländerbehörde auch nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts standhaft rechtfertigt. Der OVG-Beschluss sei „ohne Präjudiz“ für andere Fälle. Schwangerschaft schließe „Reisefähigkeit nicht per se aus“, verteidigt Behördensprecher Norbert Smekal Neumanns Linie. Sein Credo: „Es gibt keinen Anlass, von der gegenwärtigen Praxis abzuweichen.“
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