Hamburger Szene von Petra Schellen: Wer den Busfahrer fragt, ist doof
Eigentlich ist er schön, dieser Spätherbst-Samstagmorgen. Die Sonne scheint, ein Lüftchen weht, und fast meint man die Vögel singen zu hören. Aber das kann natürlich nicht sein im November. Obwohl, der Zaunkönig in meinem Nachbargarten ist dieses Jahr gar nicht gen Süden geflogen …
Aber egal, jetzt bin ich grad am Eppendorfer Markt in den 34er-Bus gestiegen, hab mich ganz nach vorn gesetzt und schaue auf die gelben Bäume über mir und die träge rollenden Autos neben mir. Viel Verkehr herrscht nicht, es ist früher Vormittag, und der Weihnachtseinkaufsrausch hat noch nicht begonnen. Schön, denke ich, das wird eine entspannte Fahrt.
Der Fahrer findet das nicht. Er kocht, sobald ein Auto aus der Parklücke rangiert, er hupt und bremst im Minutentakt, um uns Fahrgäste an seiner Wut teilhaben zu lassen. Als sich dann auch noch eine Ampel erdreistet, kurzfristig auf Rot zu springen, gibt ihm das den Rest. Er schimpft laut und lange.
Aber ich bin munter und bleibe es auch, jedenfalls bis zur Haltestelle Stephansplatz gleich gegenüber der Oper. Dort nähert sich ein junger Mann der offenen Fahrertür und fragt, wo er zur Kunsthalle umsteigen müsse. „Dahinten“, sagt der Fahrer und wedelt vage mit dem Arm. „Wo genau?“, setzt der Mann nach. „Na, da“, wiederholt der Fahrer, und statt zu sagen: „An der Kreuzung links in den 112er-Bus“, wedelt er noch mal. „Können Sie mir das genauer erklären?“, setzt der junge Mann nach, irritiert, aber bemerkenswert geduldig. „Haben Sie nicht gehört, was ich gesagt habe?“, brüllt der Fahrer. „Ah, danke“, krächzt der Mann erschreckt und wankt davon.
„Das war aber nicht nett“, sage ich später zum Fahrer. „Warum haben Sie ihm das nicht erklärt?“ Ich könne das nicht beurteilten, kontert er. „Und wenn die Leute so strohdumm sind, ist es nicht mein Problem. Ich bin ja nicht für Behindertenbetreuung zuständig“, geifert er. Stimmt, das ist er nicht. Wohl aber für eine durchschnittliche Freundlichkeit dem Ansinnen ortsunkundiger Fahrgäste gegenüber. Den PR-Preis von „Hamburg-Marketing“ würde er für diese Performance jedenfalls nicht bekommen.
Abgesehen davon: Was macht dieser Fahrer, wenn sich mal ein wirklich – körperlich oder geistig – „Behinderter“ in seinen Bus verirrt und Hilfe beim Parken seines Rollstuhls braucht? Und was sagen eigentlich die Statuten seines Arbeitgebers, des HVV?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen