Hamburger Glatteisaffäre: Straße geräumt, Sessel geräumt
Ein Anruf bei der Stadtreinigung. Danach war seine Wohnstraße eisfrei, während es im übrigen Hamburg rutschig blieb. Das kostete Berndt Röder (CDU) jetzt sein Amt als Präsident der Bürgerschaft.
HAMBURG dpa/apd | Der Präsident der Hamburger Bürgerschaft, Berndt Röder, ist wegen der sogenannten Glatteisaffäre zurückgetreten. Der 61-jährige CDU-Politiker war in die Kritik geraten, weil er seine Wohnstraße von der Stadtreinigung von Eis und Schnee hatte befreien lassen, während im Rest der Hansestadt wenig geschehen war. Er habe einen Fehler begangen und sich dafür entschuldigt. Nun wolle er die Diskussion beenden, um möglichen Schaden vom Parlament abzuwenden, sagte Röder am Samstag. Der Rücktritt wurde von Politikern aller Parteien begrüßt.
Mit der Glatteisaffäre wollte sich am Montag der Ältestenrat der Hamburger Bürgerschaft beschäftigten. Die SPD hatte am Freitag ein Treffen von Parlaments- und Fraktionsspitzen beantragt. Mit seinem Rücktritt ist der seit 2004 amtierende Röder dem zuvorgekommen.
Anfang der Woche hatte er wegen seiner Intervention bei Bezirksämtern und Behörden um Entschuldigung gebeten. "Ich habe die Folgen meiner Anrufe, die ich in meiner starken Verärgerung getätigt habe, vollkommen unterschätzt. Ich hätte auf keinen Fall meine eigene Straße auch nur erwähnen dürfen." Persönlich habe er keinen Vorteil gehabt, da er als Bürgerschaftspräsident abgeholt werde. Nach der Intervention war seine Wohnstraße nach am selben Tag von Eis und Schnee befreit worden.
Im Laufe der Woche hatten Medien spekuliert, ob Röder wirklich die Wahrheit gesagt hat. Demnach soll er doch nicht nur die allgemeine Situation kritisiert, sondern ausschließlich seine Straße gemeint haben. So hatte die Feuerwehr Röders Behauptung widersprochen, dass ein Rettungseinsatz wegen der Straßenverhältnisse abgebrochen worden sei. Die Hamburger Morgenpost hatte einen Tippgeber zitiert, wonach Röder der Stadtreinigung deutlich zu verstehen gegeben habe, dass er die Straße eisfrei haben wolle. Röder hatte eine Spende von 1.000 Euro an das Rote Kreuz angekündigt.
SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Neumann befürchtet, "dass durch diese Angelegenheit nicht nur das Amt des Bürgerschaftspräsidenten, sondern auch der Bürgerschaft und der Politik in Hamburg allgemein Schaden genommen hat". Der CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Schira sagte: "Wir sind alle sehr traurig, dass die aktuelle Entwicklung der sogenannten Glatteisaffäre diesen Schritt notwendig machte."
Ob Röder nur den Parlamentsvorsitz oder auch sein Abgeordnetenmandat aufgeben will, war am Wochenende ebenso unklar wie seine Nachfolge, so der Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Hein von Schassen. "Wir haben am Montagabend Fraktionssitzung, danach wird man weitersehen", fügte er hinzu.
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