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Hamburg will Flüchtlinge weiter in Horst unterbringenWeiter nur relative Freiheit

Hamburg will die Kooperation mit Mecklenburg-Vorpommern wohl weiterführen und weiter Asylbewerber in der umstrittenen Sammelunterkunft in Horst unterbringen. Auch Familien sollen hierher.

Hamburg will weiter Asylbewerber im umstrittenen Flüchtlingslager Horst in Mecklenburg-Vorpommern unterbringen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Das Flüchtlingslager im mecklenburgischen Horst bleibt wohl für die kommenden fünf Jahre die zentrale Erstaufnahmestelle für Hamburgs Flüchtlinge. Der bisherige Vertrag zwischen Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern läuft zwar am 30. September aus, ein Sprecher der Innenbehörde bestätigte aber, dass die Kooperation fortgesetzt werden soll. Senat und Bürgerschaft müssten dem Vertrag noch zustimmen, der vorsehe, dass der Senat ab Oktober dauerhaft für 200 statt wie bisher für 30 Plätze bezahlen müsse.

„Es war damit zu rechnen, dass weiter Flüchtlinge aus Hamburg nach Horst müssen“, sagt Hermann Hardt vom Flüchtlingsrat Hamburg. Aber nach seinen Informationen sollen das nun wieder regelhaft Familien mit Kindern sein. Ein Problem, weil die Kinder nicht zur Schule gehen könnten. Schon seit Herbst 2011 würden mehr Familien nach Horst geschickt, vorher sei das die Ausnahme gewesen.

„Familien kommen auch mit der neuen Vereinbarung nicht automatisch nach Horst“, sagt Kazim Abaci, Fachsprecher für Integration der SPD-Fraktion. Nur wenn alle 70 Plätze in der Sportallee in Hamburg besetzt sind, müssten Familien nach Horst ausweichen. „Und im Januar wurde Deutschunterricht für Kinder eingeführt“, sagt Abaci. Klassischer Schulunterricht sei mit diesen Kindern ohnehin noch nicht möglich und in den Kursen würden die Kinder gut auf den Schulbesuch vorbereitet. Unter diesen neuen Voraussetzungen sei auch eine Familienunterbringung gut vertretbar.

„Die Begründung der Stadt, es gäbe mittlerweile Deutschunterricht und darum können auch Kinder dort untergebracht werden, ist Quatsch“, sagt Hardt. Schule bedeute auch, soziale Kontakte zu knüpfen und das gehe in der Lagersituation nicht.

Der Hamburger Flüchtlingsrat hat schon seit Jahren Hausverbot in Horst, daher hält man zu den Flüchtlingen per Telefon Kontakt oder trifft sich außerhalb des Lagers. Die Verpflegung in der Kantine sei nach wie vor unangemessen. „Es gibt keine Möglichkeit, selbst zu kochen“, sagt Hardt.

Es wurde zwar ein zweiter Arzt eingestellt, der mehrmals die Woche kommt, aber nach wie vor würde es keine Überweisung zu Fachärzten geben. „Und am meisten belastet die Flüchtlinge die abgeschottete Lagersituation“, sagt Hardt. Zuletzt demonstrierten im Januar mehr als 300 Menschen gegen unzumutbare Zustände in Horst. Jetzt werde die Situation vom Senat offenbar anders bewertet, denn der NDR zitiert aus der Vereinbarung, dass die Stimmung in Horst durchweg positiv sei.

Abaci hat das Flüchtlingslager vor einigen Wochen besucht. „Bei mir haben sie sich nicht über die Unterbringung beschwert“, sagt er. Es könne natürlich sein, dass es trotzdem irgendwo hake. Aber es gäbe schon eine relative Freiheit in Horst, die Flüchtlinge könnten kommen und gehen, einen Arzt oder einen Anwalt aufsuchen. „Horst ist nicht unsere Wunschvorstellung, aber wir müssen das pragmatisch sehen“, sagt Abaci.

„Fakt ist, dass es immer mehr Flüchtlinge gibt und wir haben leider keine Alternative in Hamburg.“ Es gäbe leer stehende Schulen, Gewerbegebäude oder auch Heime im städtischen Besitz, die als angemessene Unterbringung für Menschen in der Zentralen Erstaufnahme hergerichtet werden könnten, sagt dagegen Antje Möller, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Aber hier werde deutlich, dass Flüchtlinge in Hamburg nicht gewollt seien.

Bleibt abzuwarten, wie sich die designierte neue Leiterin des Einwohnerzentralamtes dazu positioniert. Nach taz-Informationen will Innensenator Michael Neumann (SPD) Johanna Westphalen, die Justiziarin von Hamburg Wasser und Hamburg Energie, als Nachfolgerin von Hardliner Ralph Bornhöft (SPD), der am 1. Juli versetzt wurde. Spruchreif wird das wohl erst in einem Monat sein. Bornhöfts Versetzung weckte Hoffnung auf eine liberalere Ausländerpolitik.

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