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Hamburg schafft die Hanseboot abDer Untergang

Nächstes Jahr wird es die „Hanseboot“ nicht mehr geben. Grund genug, noch einen Blick auf Bootstoiletten und Yachten zu werfen.

Zu wenig Besucher und Aussteller: die Hanseboot macht dicht. Foto: dpa

Hamburg taz | In diesem Jahr war ich das erste Mal auf der „Hanseboot“, der letzten „Hanseboot“, denn 2018 wird es sie so jedenfalls nicht mehr geben. Die erste „Hanseboot“ gab es 1961. Da hieß sie noch „Das Sport- und Gebrauchsboot“, und es kamen 5.000 Besucher. Im vergangenen Jahr kamen etwa 63.000 Besucher. Zu wenig?

Bernd Aufderheide, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Hamburg Messe und Congress, spricht in seinem Grußwort zur „Hanseboot“ von sinkenden Aussteller- und Besucherzahlen. Schuld sei der demografische Wandel sowie ein verändertes Konsum- und Freizeitverhalten. Kaufen die Leute keine Boote mehr? Kaufen sie keine Yachten mehr? Segeln sie nicht mehr? Und wie kommt das?

Ich war an einem Donnerstagnachmittag auf der „Hanseboot“, mit zwei 18-Jährigen. Ich wollte wissen, wie die Jugend zur „Hanseboot“ steht. Fühlen sie sich angesprochen vom Wassersport, die wenigen jungen Menschen, die es in unserer überalterten Gesellschaft noch gibt, immerhin geboren und aufgewachsen in Hamburg? Vorab konnte ich erfahren, dass die „Hanseboot“ bis jetzt recht gut besucht wurde. Besser als erwartet jedenfalls, in den ersten Tagen. Das lag vielleicht am Feiertag und am Brückentag. Da standen die Leute Schlange.

Am Donnerstagnachmittag steht da dann keine Schlange, da ist es leer an der Garderobe, da ist keiner vor uns an der Kasse. Der Eintritt ist historisch, wie angekündigt, eine hübsche Sentimentalität, drei Euro. Der Eintritt zur allerersten „Hanseboot“ betrug sechs Mark.

Wir schlendern durch die Hallen und stoßen auf das Bundesministerium für Verteidigung. Soldaten lungern vor einem Tresen herum, unter den Worten: „Wir. Dienen. Deutschland.“ Dazu gehört eine kleine Bundeswehr-Bar, ein Bundeswehr-Kickertisch und Aufstelltafeln zum Thema „Auslandseinsätze Bundeswehr“ und „Krisen- und Konfliktgebiete“. Nebenher läuft „Waterloo“ von Abba.

Dann sehen wir uns Matratzen für Boote an. Die Matratzen sind in eine sargähnliche Form geschnitten. Sie müssen in Boote hineinpassen, deshalb sind Matratzen ein wichtiges Thema. Wir bummeln an einer ganzen Menge von kleineren Ständen vorbei, an denen Pumpen ausgestellt sind, Seile und Karabinerhaken, Schrauben, Nägel, Außenbordmotoren, Bootstoiletten, Yachtfarben, Bootsbeschriftungen. An einem Stand sind auf Holzplatten lauter glänzende Schmuckstücke aufgenagelt, alles Sachen, die man in seinem Boot oder seiner Yacht anbringen kann, die notwendig sind und hübsch, auf eine ganz und gar altmodische Art, obwohl sie ganz neu sind.

„Winterlagerplätze frei“ steht auf einem Schild einer Werft. Ist das ein Zeichen? Vielleicht sind immer überall sehr viele Winterlagerplätze frei? Wir kommen bei Dampf-Eisbrecher Stettin e. V. vorbei. Die „Stettin“ ist ein echter Eisbrecher und liegt in Oevelgönne. Sie wird durch einen Förderverein erhalten, und am Hafengeburtstag, zum Beispiel, kann man sie manchmal auch besichtigen. Wir kommen am „R 20“, dem angeblich „weltältesten Jollenkreuzer“ vorbei und an den Yachtversicherungen.

Dann wollen die jungen Leute endlich echte Boote sehen und wir gehen in die Halle mit den Yachten. Die Yachten sind manchmal sehr groß und man muss über eine Treppe hinaufsteigen, wo man Überschuhe bekommen kann, mit denen man sich eine Yacht von innen ansehen darf. Innen ist es klein und lackiert und gut gepolstert. Es gibt manchmal eine kleine Küche und einen Fernseher, wie in einem Wohnmobil, nur nicht aus Plastik, sondern aus sehr schönem Holz und Stoff und Leder.

Ein älteres Paar sitzt auf einer Holzbank, streicht über das Holz neben sich, der Mann hat einen sehr roten Kopf und er überlegt, ob er sich diese kleine Yacht anschaffen soll oder nicht. Es ist eine sehr kleine Yacht, aber dennoch unvorstellbar teuer. Die anderen Leute, die sich sowieso gar keine Yacht leisten können, sehen sich lieber die teuersten, größten Yachten an, weil das mehr Spaß macht. Von den Yachten gehen wir zu Sea-Watch, deren Flüchtlingsschlauchboot etwas abseits liegt, gegenüber der Kinderbetreuung.

Ein Schlauchboot ist auch ein Boot, ein Teil der maritimen Welt, und die „Sea-Watch“ ist ein Boot mit einer guten Crew. „Es sind sehr nette Menschen, und es macht Freude, mit solchen Menschen zusammenzuarbeiten“, sagt der Mann, als ich ihn frage, wie man es aushalten kann.

Die größte Halle ist die mit den Segelbooten und Segelyachten. „Und bei dem System hast du an einem Pfosten gar keine Höhenverstellung“, höre ich jemanden sagen. Das Mädchen findet an einer Anschlagtafel ein kleines Ruderboot angeboten. „Das könnte ich mir leisten“, sagt das Mädchen. Ganz gern hätte es jetzt ein Boot gehabt, ein kleines weißes Ruderboot. So fängt es an, denke ich. Aber leider haben wir den demografischen Wandel.

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