Haltergesetz: Hunde, wollt ihr ewig beißen?
Während Pitbull und Co. die Schnauze halten, mehren sich die Zwischenfälle mit anderen Hunden. Der Senat setzt im neuen Hundehaltergesetz trotzdem weiter aufs Rassismus-Prinzip.
Bremens Hunde kommen wieder in Beißlaune. Acht Jahre nach dessen Einführung nähert sich die Zahl der Vorfälle deutlich den Werten aus der Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes über das Halten von Hunden an, dessen Novellierung bis Dezember über die Bürgerschaftsbühne gebracht sein muss. Im Jahr 2000 zählten die Behörden 149 Bisse, 2006 waren es dann nur noch 80. Seither aber steigt die Tendenz, und zwar deutlich: Im vergangenen Jahr wurden 121 Biss-Attacken aktenkundig.
Allerdings: Nur in fünf Fällen waren die Kiefer von Pitbull & Co. im Spiel, von denen also, die das Hunderassengesetz in Bremen grundsätzlich verbietet: Deren Zahl hat sich inzwischen halbiert, und die der mit ihnen verbundenen Beißvorfälle im Lande Bremen ist von 28 auf durchschnittlich 5,5 gesunken. Also etwas unter einem Viertel.
Das ist nicht überraschend, denn Rasse ist ohnehin nur ein fragwürdiges Konzept ohne Fundament: "Wissenschaftlich anerkannte Methoden zur Bestimmung der Rassezugehörigkeit von Hunden gibt es bislang nicht", so heißt es in der Senats-Auswertung des Gesetzes. Und aller Hundeverhaltensforschung nach sind vermeintliche Kampfhunde von Natur aus nicht angriffslustiger als beliebte Familienhunde wie Golden Retriever: Die weltweit datenreichste Studie zum Thema hatte die Tierärztliche Hochschule Hannover 2005 vorgelegt - um nach fünf Jahren Psychotests mit unterschiedlichsten Hunden zu erklären, dass Aggression eine Frage der Erziehung ist. Die Herrchen und Frauchen obliegt.
Hansjoachim Hackbarth, Leiter der Untersuchung, fordert seither, für "verantwortungsvolle Hundebesitzer" zu sorgen. Das sei "die wirkungsvollste Maßnahme, um Verhaltensproblemen vorzubeugen". In Niedersachsen wird er erhört: Verbraucherschutzminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU) plant derzeit einen Sachkundenachweis für Halter aller großen Hunde.
In Bremen aber hält man am Rassebegriff eisern fest, auch wenn der keine empirische Entsprechung hat. "Wir beobachten da die wissenschaftliche Diskussion", so ein Sprecher des Innensenators. Bloß benutzt die Säugetierforschung das Wort nicht - und diskutiert deshalb auch nicht darüber. Dass die so genannten Kampfhunde in Bremen nicht mehr zubeißen, wertet man entsprechend als "Erfolg unserer Restriktionen". Und dass die Zwischenfall-Kurve der übrigen Tiere steil nach oben weist - als Entwicklung, die man im Auge behalten werde. Einen allgemeinen Hundeführerschein hielte man hingegen für einen "unverhältnismäßigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte" der Halter. "Es werden weniger als ein Prozent der Hunde auffällig", so der Sprecher.
Das heißt natürlich nicht, dass 99 Prozent der Hunde ordentlich behandelt werden: Auch dem Staatsziel Tierschutz würde ein allgemeiner Hundeführerschein dienen. Im Gesetzentwurf wird es nicht einmal erwähnt. "Ich würde es begrüßen, wenn es das gäbe", sagt Wolfgang Apel, Vorsitzender des Bremer Tierschutzvereins und Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. "Aber ich fürchte, dass es nicht praktikabel ist."
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