: Hallo Taxi!
■ Taxifahren ist lukrativ, allerdiengs nur als Nebenjob / fast jeder zweite ist Student
Taxifahren in Berlin: Für die einen ist es der Weg in die berufliche Selbständigkeit, für andere ist es ein Job mit guter Verdienstmöglichkeit. Für wieder andere bedeutet es schlicht eine Fahrt im Mietwagen mit Chauffeur. Taxifahren in Berlin ist aber auch ein Politikum, das sich mit aktuellen Themen wie der steigenden Verkehrsdichte, dem Umweltschutz und dem Arbeitsmarkt auseinandersetzen muß. Denn ein sorgenfreies Gewerbe ist das Geschäft mit den motorisierten Kraftdroschken keineswegs.
In dieser Stadt gibt es zuviele Taxis und zuwenige Fahrgäste. Insgesamt 3.320 Taxiunternehmen und 5.020 zugelassene Fahrzeuge zählt das Taxigewerbe. Die müssen sich täglich rund 135.000 Kunden teilen; dabei kommen bei den Einwagen-Unternehmen oft weniger als 20 Fahrgäste auf jedes Taxi. Horst Alex, 2. Vorsitzender der Innung des Berliner Taxigewerbes (IBT), schätzt die Lage kritisch ein. Es müßte rund 600 Taxis weniger geben, damit die vorhandenen Unternehmen optimal wirtschaften können. Statt dessen kommen immer mehr Taxis auf den Markt, während die Zahl der Fahrgäste weitgehend konstant bleibt. „An manchen Tagen stehen die Fahrzeuge bis zu 70 Prozent einsatzlos herum“, sagt Alex. Auf der anderen Seite werden ständig neue Taxifahrer gesucht: Tatsächlich reichen ungefähr 15.000 Taxischein-Besitzer dem Gewerbe nicht aus. Einen Grund sieht Alex darin, daß fast jeder zweite Fahrer ein Student ist. Als Aushilfskräfte seien Studenten für die Unternehmer zwar billig, aber leider nicht immer einsatzbereit. „Das Problem“, sagt Alex, „ist der Mangel an festen, qualifizierten Fahrern. Dafür müssen die Taxibetriebe oft neue, noch unerfahrene und kurzarbeitende Kräfte einstellen.“
Auf Dauer ist Taxifahren ein „harter Job“: Durchschnittlich 60 Stunden Fahrzeit pro Woche für einen Monatslohn von 2.200 Mark brutto - der Anteil von nur sieben Prozent festangestellten Fahrern verrät, wie wenig reizvoll Taxifahren als Hauptberuf ist. Die Aussicht auf schnell verdientes Geld hingegen reizt vor allem die studentischen Aushilfsfahrer. Von den Sozialversicherungen befreit, werden sie höher am Tagesumsatz beteiligt als die Festfahrer. Außerdem seien Studenten oft weniger zeitlich oder familiär gebunden und können folglich die lukrativeren Fahrzeiten wählen, meint Alex. Insbesondere Nachtschichten und Feiertage, aber auch Freitag- und Samstagabende bieten den Fahrern gewinnträchtige Touren.
Warum jedoch das Taxilenkrad zu 90 Prozent in Männerhänden liegt, kann sich Alex nicht erklären. Vielleicht, so meint er, sind es die anstrengenden Stehzeiten, unangenehme Nachtschichten oder auch nur das antiquierte Image der „Frau am Steuer“, die den Job für Frauen so wenig attraktiv machen. Daß aber Taxifahren gefährlicher sei als andere Berufe, bestreitet er: „Es ist falsch, von einem Verbrechensopfer (Fahrermord im Dezember '88) auf ein grundsätzliches Berufsrisiko zu schließen.“ Zur Sicherung der FahrerInnen seien die Fahrzeuge mit Funkgeräten, großteils mit Alarmsirenen und zum Teil sogar mit „besonderen Sprechcodeanlagen“ ausgerüstet. Den Frauen im Taxidienst bleibt als Schutz darüber hinaus nur der private Selbstverteidigungskurs oder die Tränengassprühdose im Handschuhfach.
Zum unbezahlten Teil der Arbeit eines Taxifahrers gehört das Warten auf den nächsten Fahrgast. An 136 ausgeschilderten Standplätzen und 96 Rufsäulen drängen sich die Taxen, und nicht selten müssen sich die Fahrer bis zu 20 Minuten gedulden, bis sie ihren Dienst anbieten können.
Von dieser Aussicht offenbar unbeeindruckt haben im vergangenen Jahr über 500 Personen die Taxifahrer-Lizenz erworben. Gemessen an den rund 4.000 Anträgen sind das nicht viele. Während der Ausbildung wird gefiltert. Bis zu sechs Monate dauert die Ausbildung. Immerhin fallen beim ersten schriftlichen - Teil der Abschlußprüfung fast 90 Prozent der Prüflinge durch, und auch nach dem folgenden mündlichen Test müssen an die 40 Prozent die Prüfung wiederholen. Das liege auch an den verschiedenen Ausbildungsmethoden der zahlreichen Taxischulen, erklärt Alex, speziell aber an der „Überheblichkeit“ der Prüflinge: „Viele von ihnen glauben, Berlin zu kennen, wissen aber bei detaillierten Zielfragen nicht Bescheid.“
Dabei kostet die Ausbildung nicht nur Zeit, sondern auch Geld: Zwar werben bereits einige Taxiunternehmen mit kostenlosen Lehrgängen, in den meisten Fällen aber hat der P -Schein-Besitzer zwischen 150 und 250 Mark, inklusive Lehrmaterial, Stadtplan, Amtsarzt und Prüfungsgebühr, investiert.
Kein Gewerbe ohne Aufsicht und Auflagen. Beispielsweise hat das Landeseinwohneramt eine sogenannte Betriebspflicht verordnet, derzufolge die Taxiunternehmen ihre Wagen mindestens jeden zweiten Tag für die Dauer einer Schicht (acht Stunden) für die öffentliche Personenbeförderung bereitstellen müssen. Zudem müssen Taxis jedes Jahr ihre Verkehrstauglichkeit mit einer TÜV-Plakette beglaubigen lassen. Daß allerdings fast 95 Prozent aller Taxis mit rußenden Dieselmotoren ausgerüstet sind, ist nicht Vorschrift, sondern das wirtschaftliche Interesse der Unternehmen: Auf lange Motorlaufzeiten und möglichst billigen Treibstoff kommt es dabei an.
Immer mehr Autos, immer mehr Taxis drängen auf Berlins Straßen. Und obwohl die Marktlage im Taxigewerbe besonders schwierig ist, steigt die Zahl der Unternehmensgründungen. Ein Grund für diesen Trend ist die allgemeine Arbeitsmarktsituation, meint Horst Alex: „Je mehr Arbeitslose es in dieser Stadt gibt, desto mehr Leute treibt es ins Taxigewerbe.“ So wurden allein 1988 an die 120 Konzessionen vergeben - die Zahl der Anträge war fast dreimal höher. Doch vor der „Illusion vom großen Geschäft“ will Alex warnen: Nicht selten enden falsche, betriebswirtschaftliche Vorstellungen im Konkurs.
Freud- und leidvoll beschreibt Horst Alex die Arbeit des Taxifahrens in Berlin: „Mit der Zeit bekommt der Job ein besonderes Fluidum, gerade im Umgang mit den vielen verschiedenen Menschen. Dazu gehören auch die Momente, in denen man für ein paar Mark als Lakai eines schlechtgelaunten Fahrgastes leidet.“
Nikolai Kreinhöfer
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