■ Rußland: Lebed bleibt vorerst Tschetschenien-Beauftragter: Halbherziger Rückzug
Der Kreml ist offensichtlich um Schadensbegrenzung bemüht. Kurz nachdem der russische Präsident Boris Jelzin der Karriere von Alexander Lebed als
Sicherheitsberater ein jähes Ende bereitet hatte, fühlte sich Ministerpräsident Viktor Tschernomyrdin bemüßigt, erst einmal die Wogen zu glätten. Moskau wolle selbstverständlich die Politik einer friedlichen Beilegung des Tschetschenien-Konfliktes fortsetzen. Diese Politik sei schließlich von Jelzin festgelegt und von der Regierung ausgeführt worden, so Tschernomyrdin.
Welche „Friedenspolitik“ Moskaus der Regierungschef damit meint, bleibt sein Geheimnis. Denn sowohl die Tschetschenen als auch die russische Bevölkerung wissen nur zu gut: Die Politik, die in der aufmüpfigen Kaukasusrepublik zumindest vorläufig zu einem Ende des wahnsinnigen Schlachtens führte, ist mit einem Namen verbunden: Alexander Lebed. Wohl deshalb soll er auf diesem Posten bleiben. Der Ex-General darf also vorerst weiter die Kastanien aus der verbrannten Erde holen. Rätselhaft ist nur, wie das funktionieren soll.
Denn Rückendeckung aus dem Kreml hatte Lebed für seine Tschetschenien-Politik nie. Tschernomyrdin stellte sich erst nach langem Zögern und eher halbherzig hinter den Friedensschluß. Und auch Jelzin blieb lange Zeit stumm und gewährte Lebed erst nach mehreren Wochen eine Audienz.
Und nicht zuletzt der Krieg in Tschetschenien ließ den unappetitlichen Schlagabtausch zwischen Lebed und Innenminister Anatoli Kulikow weiter eskalieren. Gerade Kriegstreiber Kulikow dürfte sich durch Jelzins Entscheidung gegen Lebed bestätigt fühlen. Er wird in nächster Zeit alles daran setzen, den „Vaterlandsverräter“ und „Ausverkäufer der russischen Interessen“ Lebed auf höchster Ebene gänzlich kaltzustellen. Das aber dürfte Lebeds Popularität nur noch weiter wachsen lassen, haftet ihm doch nun neben dem Nimbus des Friedensstifters auch noch der des Geschaßten an.
Doch die Karten werden nicht nur in Moskau neu gemischt. Denn der Frieden im Kaukasus ist längst noch nicht gesichert. Und dann wird in Tschetschenien vielleicht bald etwas anderes als die für Januar geplanten Wahlen auf der Tagesordnung stehen. Barbara Oertel
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