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Haiti im AusnahmezustandZur Cholera das Wahlchaos

Nach der von Unregelmäßigkeiten begleiteten Abstimmung geht die Angst vor neuer Gewalt in Haiti um. Viele Kandidaten fordern die Annullierung der Wahl. Sie werfen Staatschef Prèval Betrug vor.

Haitianische Polizisten sichern ein Wahllokal in Port-au-Prince ab. Bild: andreas herzau

PORT-AU-PRINCE/PARIS dapd/afp | Nach der chaotischen Präsidentschaftswahl in Haiti befürchten die internationalen Geberländer neue Gewalt in dem krisengeschüttelten Karibikstaat. Die Vereinten Nationen berichteten über zahlreiche Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung am Sonntag, bei der auch ein neues Parlament gewählt wurde. Die aussichtsreichsten Präsidentschaftsanwärter warfen Staatschef René Préval und der Wahlbehörde Betrug vor und forderten eine Annullierung der Abstimmung.

Es gab Berichte über Gewalt und Einschüchterungsversuche sowie gestohlene Wahlurnen. Dem haitianischen Radio zufolge wurde ein Mann in der Nähe eines Wahllokals in der Provinz Artibonite erschossen. Die Wahlbehörde berichtete über einen weiteren Toten im Süden des Inselstaates. Ein neues, legitimes Staatsoberhaupt ist damit nicht in Sicht. Doch die Hilfszusagen der Geberländer sind überwiegend an die Bedingung geknüpft, dass eine unbestechliche, stabile Regierung als verlässlicher Partner das Geld verwaltet.

Zwölf der insgesamt 19 Präsidentschaftskandidaten riefen ihre Anhänger bereits am Sonntagmittag in einer gemeinsamen Stellungnahme zu Protesten gegen die Regierung und die Wahlbehörde auf. Bei gewaltsam ausgetragenen Rivalitäten zwischen Anhängern einzelner Kandidaten waren vor der Wahl mehrere Menschen ums Leben gekommen.

Wahlberechtigte und mehrere Kandidaten erklärten, Staatschef Préval, der nicht erneut antreten durfte, wolle die Abstimmung zugunsten des Kandidaten Jude Celestin beeinflussen. Die Politikerin Anne Marie Josette Bijou sagte, sie habe Fotos und Unterlagen, um Betrug nachzuweisen.

Bild: andreas herzau

Fotograf Andreas Herzau hält sich derzeit in Haiti auf und stellt täglich neue Bilder rund um die Präsidentschaftswahl auf seine Website www.andreasherzau.de. Dazu kommentiert er die Erlebnisse.

Viele der mehr als 4,7 Millionen registrierten Wählern hatten bis Sonntag entweder keinen Wahlschein erhalten, wussten nicht, wo sie ihre Stimme abgeben sollten, oder suchten ihre Namen vergeblich auf den Wahllisten. Viele Wahllokale öffneten zu spät. In der Stadt Grande Riu Du Nord brandschatzten Jugendliche ein Wahllokal. Die Wahlbehörde erklärte bei einer Pressekonferenz am Abend allerdings, in nur 56 der fast 1.5000 Wahllokale seien Unregelmäßigkeiten festgestellt worden. Wie sie zu der Zahl kam, sagte sie nicht.

Auch Wycleaf Jean, der frühere "Fugees"-Frontmann und ehemalige Bewerber um das haitianische Präsidentenamt, war am Wahltag vor Ort. Unterstützer Jeans erklärten über Twitter, der haitianisch-amerikanische Sänger werde öffentlich keinen der 19 Präsidentschaftskandidaten unterstützen. Jean war im August vom Rennen um das Präsidentenamt disqualifiziert worden. Er zog mit einer Menge zum Büro der Wahlbehörde; vor dem Protestzug hatten UN-Friedenstruppen und Polizisten Barrikaden errichtet. Für jegliche Gewalt sei allein Préval verantwortlich, sagte der Anwalt Jean-Henry Ceant, der sich ebenfalls um die Präsidentschaft bewarb.

Bei der Wahl geht es um die Nachfolge von Prévals, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf. Der amtierende Staatschef unterstützt Celestin, den Leiter einer staatlichen Baufirma, der als Kandidat von Prévals neu gegründeter Einheits-Partei bis zum Schluss einen gut finanzierten Wahlkampf führte.

In der Stadt Les Cayes beendete am Freitag ein Kugelhagel eine Kundgebung des Musikers und Präsidentschaftskandidaten Michel "Sweet Mickey" Martelly. Berichten zufolge kam dabei ein Anhänger Martellys ums Leben. Das Wahlkampfteam des Musikers machte Celestin, Préval und deren Einheits-Partei für den Vorfall verantwortlich.

Eine Anhängerin des von Staatschef Préval gestützten Kandidaten Jude Celestin. Bild: andreas herzau

Der Sieger der Präsidentschaftswahl wird Milliarden Dollar an Hilfsgeldern zu verwalten haben, die Geberländer nach dem verheerenden Erdbeben vom vergangenen Januar zugesagt hatten. Der künftige Präsident sieht sich jedoch auch mit Millionen obdachlosen Erdbebenopfern und einer grassierenden Cholera-Epidemie konfrontiert. Nach dem jüngsten Ausbruch der Krankheit in Haiti sind bislang mehr als 1.600 Menschen ums Leben gekommen. Erste Ergebnisse der Präsidentschaftswahl werden nicht vor dem 7. Dezember erwartet. Es wird mit einer Stichwahl im Januar gerechnet.

Seuchenexperten: Cholera ist nach Haiti eingeschleppt worden

Unterdessen wollen französische Seuchenexperten zu dem Ergebnis gekommen sein, dass die Cholera in den Karibikstaat eingeschleppt worden ist. "Die Epidemie kann nicht lokalen Ursprungs sein", sagte Frankreichs führender Experte Renaud Piarroux am Montag nach seiner Rückkehr aus Haiti. Die Epidemie sei im Landesinnern ausgebrochen, nicht an der Küste und auch nicht in den Lagern der Erdbebenopfer. "Das heißt, der Erreger kam von außen."

Den haitianischen Behörden zufolge traten die erste Cholera-Fälle im Oktober entlang des Artibonite-Flusses im Zentrum des Landes aus. Weiter flussaufwärts liegt ein Stützpunkt nepalesischer UN-Blauhelme. Gerüchte, wonach der Erreger von den nepalesischen Soldaten stammte, hatten vor zwei Wochen in mehreren Städten zu gewaltsamen Protesten gegen Vertreter der UN-Friedensmission MINUSTAH geführt, dabei starben mindestens drei Menschen. Missions-Chef Edmond Mulet wies die Vorwürfe zurück: Keiner der getesteten Blauhelme habe das Virus, auch alle Stichproben im nepalesischen Lager seien negativ.

Bereits mehr als 70.000 Haitianer sind an der Cholera erkrankt, nach Einschätzung von Piarroux könnte ihre Zahl auf 200.000 steigen. Cholera ist hochansteckend. Sie verbreitet sich vor allem über Wasser und Nahrung, verursacht heftigen Durchfall und Erbrechen und kann innerhalb kurzer Zeit zum Tod führen, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt wird.

lon/ans

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1 Kommentar

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  • F
    Frank

    Medikamente gegen Krankheit, Lebensmittel gegen Hunger, geschweige denn Produktionsmittel brauchen die Menschen auf Haiti.

    Herrschaft, und die Richtige, fehlt!

    Ein Schuldiger fuer Krankheit fehlt!

     

    Das ist die passende Betrachtungsweise hier, in den Zuschauernationen, und auf Haiti selbst.

    Das auf Zeit spielende "Interesse" hierzulande wartet auf die Ergebnisse der "Natur".

    Spaetestens in ein paar Wochen ist "Haiti" "gespraechsbereit". Cholera kennt man und ist medizinisch in Verlauf und Inkubationszeit umfassend erforscht.

    Eine Insel zum Untergang bestimmt.

    Hilfe zur Selbsthilfe durch Unterlassung. Eventuell, das ist nicht einmal auszuschliessen, wurde da etwas mehr Hilfe gewaehrt, medial, infektioes, als gemeinhin ueblich. Wen interessiert das schon... Wir haben doch alle unsere Probleme und das sind nicht die Unseren.