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Haftstrafe für Journalisten in MarokkoVerurteilt in Abwesenheit

Journalist Soulaiman Raissouni ist in Marokko wegen Vergewaltigung zu 5 Jahren Haft verurteilt. Eine Aufklärung der Tat hat es jedoch nicht gegeben.

Regierungskritische Jour­na­lis­t*in­nen wie Soulaiman Raissouni sind in Marokko in Gefahr Foto: privat

Berlin taz | Es war der 92. Tag im Hungerstreik für Soulaiman Raissouni. Dem Urteilsspruch in Casa­blanca konnte der 49-Jährige in seinem extrem geschwächten Zustand nicht beiwohnen. Es hätte eines Rollstuhls und ambulanten Transports für ihn bedurft; nichts davon wurde ihm vom Gericht bewilligt. So erschienen auch Raissounis Anwälte nicht: Sie halten es für nicht hinnehmbar, dass der Journalist in seinem Zustand auch auf ihr Drängen hin nicht ins Krankenhaus eingeliefert wird.

Zu fünf Jahren Haft wurde der Chefredakteur der marokkanischen Tageszeitung Akhbar Al-Youm jüngst wegen Vergewaltigung verurteilt. Das liefert zunächst keinen Anlass zu Solidaritätsbekundungen – doch vielleicht ist genau das die Einschüchterungsstrategie der marokkanischen Regierung.

Denn in den vergangenen Jahren waren so einige Jour­na­lis­t:in­nen wegen sexueller Straftaten verfolgt worden, Männer, Frauen. Ihre Gemeinsamkeit: Regierungskritische Berichterstattung. Etwa Omar Radi, ebenfalls regierungskritisch, oder Taoufik Bouachrine, der Akhbar Al-Youm gründete – die Zeitung, deren Chefredakteur Raissouni war.

Raissouni hatte in seinen Texten unter anderem den marokkanischen König Mohammed VI. wegen Korruption sowie den Geheimdienstchef Abdellatif Hammouchi kritisiert. Die Vorwürfe gegen ihn werfen Fragen auf. So saß er bis zur Urteilsverkündung mehr als ein Jahr in Untersuchungshaft, obwohl in dieser Zeit die Unschuldsvermutung hätte gelten müssen. Anfang April trat der Journalist deshalb in Hungerstreik, von der marokkanischen Justiz als „Pseudohungerstreik“ abgetan.

Raissouni bestreitet Vergewaltigung

Raissouni, der auf der deutschen Wikipediaseite auch als Menschenrechtsaktivist bezeichnet wird, soll einen LGBTI-Aktivisten vergewaltigt haben. Er selbst bestreitet das. Seine Frau, die an einem Dokumentarfilm über LGBTI-Rechte in Marokko arbeitete, hatte den Aktivisten zu sich nach Hause eingeladen. Wie frei dieser sich äußert, ist fraglich, da er in Marokko als Homosexueller selbst als Straftäter gilt und heftiger Repression ausgesetzt ist.

Auszuschließen ist eine Vergewaltigung trotzdem nicht. Eine rechtsstaatliche Aufklärung der Tat hat es allerdings nicht gegeben. Unter anderem wurden etwa Zeu­g:in­nen nicht zugelassen. Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International, Reporter ohne Grenzen und Human Rights Watch haben im Fall Raissouni und in Marokko allgemein eine politische Instrumentalisierung des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs beklagt.

Unbestritten bleibt: Das Ergebnis ist Einschüchterung. Die Zeitung Akhbar Al-Youm erscheint seit März nicht mehr. Auch Soulaimans Nichte Hajar Raissouni, die über eine regierungskritischen Protestwelle im Rif-Gebirge berichtete, wurde zum Schweigen gebracht.

Ihr wurden außerehelicher Sex und Abtreibung vorgeworfen – beides sind in Marokko Straftaten. Sie lebt heute im sudanesischen Exil. Soulaiman Raissouni bleibt indessen weiter im Hungerstreik. Ob internationaler Druck etwas ausrichten kann, ist fraglich.

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