Hafterleichterung für Klar gestrichen: Anwalt beklagt "rechtswidrige Politik"
Der Anwalt von Ex-RAF-Terrorist Klar hat das Ende der Hafterleichterungen für seinen Mandanten kritisiert - und die "Fluchtgefahr"-Behauptung zurückgewiesen.
"Fluchtgefahr" sieht die Justizvollzugsanstalt Bruchsal bei dem ehemaligen RAF-Mitglied Christian Klar und hat ihm deshalb alle Vollzugslockerungen gestrichen. Hinter dieser Entscheidung steht der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP). Weil sich Klars Haftende, unter anderem wegen einer drohenden Beugehaft, "auf unbestimmte Zeit" verschiebt, könnte der Häftling zu Kurzschlusshandlungen neigen und darf das Gefängnis nicht mehr verlassen, ließ Goll verfügen. Klars Anwalt Wolfgang Kaleck hat Rechtsmittel angekündigt.
Christian Klar sitzt seit 1982 in Haft. Wegen der RAF-Morde des Jahres 1977, unter anderem an Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seinen Begleitern, wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt. Einen Antrag auf Begnadigung hat Bundespräsident Horst Köhler im vorigen Mai abgelehnt. Klar muss deshalb bis zum Ende seiner 26-jährigen Mindesthaftzeit im Januar 2009 in Haft bleiben. Aufgrund eines Gutachtens wird dann das Oberlandesgericht Stuttgart entscheiden, ob "Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit" eine Haftentlassung auf Bewährung verhindern.
Zur Vorbereitung auf diese Entlassung erhielt Klar Vollzugslockerungen. Konkret konnte er im Sommer drei Mal die Anstalt in Begleitung eines Beamten ohne Uniform für mehrere Stunden verlassen. Einmal machten die beiden eine Radtour in der Umgebung von Bruchsal. Als nächste Schritte waren unbegleitete Ausgänge vorgesehen, dann ein längerer Hafturlaub und schließlich die Verlegung in den offenen Vollzug. Klar hätte dann tagsüber außerhalb der Anstalt arbeiten können. Das alles wurde nun auf Geheiß von Minister Goll gestoppt.
Begründet wird die Fluchtgefahr zum einen mit der vom BGH-Ermittlungsrichter angeordneten sechsmonatigen Beugehaft gegen die RAF-Veteranen Klar, Brigitte Mohnhaupt und Knut Folkerts. Mit der Beugehaft sollen Aussagen zum Hergang des Buback-Attentats erzwungen werden. Es geht um die Frage, ob auch der bisher in dieser Sache nicht behelligte Stefan Wisniewski an dem Attentat beteiligt war. Nach einer Aussage von Ex-RAF-Mitglied Peter Jürgen Boock ermittelt die Bundesanwaltschaft seit letztem Jahr gegen Wisniewski.
Falls Klar keine Aussagen macht, womit alle rechnen, würde sich seine Haftzeit durch diese Beugehaft um maximal sechs Monate verlängern. Dass der Langzeitgefangene deshalb Fluchtabenteuer eingeht, würde wohl niemand überzeugen. Deshalb hat Goll noch ein zweites Szenario eröffnet: Wenn Klar seiner Zeugenpflicht nicht nachkomme, sei das Strafvereitelung, also eine strafbare Handlung. Damit zeige Klar eine "rechtsfeindliche" Einstellung, die auch gegen seine Entlassung spreche, nachdem er die Mindesthaftzeit verbüßt hat. Demnach drohte also unendliche Haft.
Selbst weitere begleitete Ausgänge hält Goll für zu gefährlich. Klar könnte von gewaltbereiten Linksradikalen befreit werden. Zum Beleg wird auf die "militante gruppe" aus Berlin verwiesen, die sich in einem Bekennerschreiben zu einem Brandanschlag positiv auf Christian Klar bezogen habe.
Klars Anwalt Wolfgang Kaleck ist wütend. "Das hat mit Recht nichts mehr zu tun, das ist Politik, rechtswidrige Politik", sagte er am Wochenende der taz. "Es gibt keinerlei Hinweis auf Fluchtabsichten, die Ausgänge sind völlig problemlos verlaufen", so Kaleck. Er werde beim Landgericht Karlsruhe Rechtsmittel gegen die Streichung der Vollzugslockerungen einlegen.
Vielleicht fällt aber Golls ganzes Szenario schon vorher in sich zusammen. Denn auch gegen die Verhängung der Beugehaft ist bereits eine Beschwerde beim 3. Strafsenat des BGH anhängig. Außerdem könnte die Bundesanwaltschaft das eher fruchtlose Ermittlungsverfahren gegen Wisniewski alsbald einstellen.
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