Haftbefehl gegen Wikileaks-Gründer: Sexvorwurf ist wieder vom Tisch
Ein Haftbefehl wegen Vergewaltigung gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange wird nach wenigen Stunden aufgehoben. Der Betroffene weiß nicht, wer dahinter steckt.
"Man hatte mich vor Sexfallen gewarnt", berichtet der Wikileaks-Gründer Julian Assange am Sonntag in einem Interview mit der schwedischen Tageszeitung Aftonbladet. "Vielleicht bin ich ja in eine solche Falle getappt."
Schwedens Justiz sucht Julian Assange wegen Verdachts der Vergewaltigung mit Haftbefehl. Die Nachricht hatte sich am Samstagmorgen wie ein Lauffeuer in den Internetmedien verbreitet. Neun Stunden später war alles wieder anders. Da teilte die Anklagebehörde mit, gegen Assange bestehe kein Vergewaltigungsverdacht mehr. Der Haftbefehl sei von der zuständigen Oberstaatsanwältin Eva Finné aufgehoben worden. Es werde aber weiter wegen sexueller Belästigung ermittelt.
"Routine" sei dieses Vorgehen gewesen, meinte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. In der Nacht zuvor hätten sich zwei Frauen bei der Polizei gemeldet und Vergewaltigungsvorwürfe erhoben. Daraufhin sei das "normale Prozedere" erfolgt. Kein "normales Prozedere" war, dass die gleichen Aussagen, die für einen Haftbefehl wegen eines "mutmaßlichen Tatverdachts" reichten, nach wenigen Stunden nicht mal mehr einen bloßen Vergewaltigungsvorwurf trugen. Ohne dass Ermittlungen dazwischen lagen: Assange war nie zu den Vorwürfen gehört worden.
"Routine" ist das nicht in Schweden - vor allem nicht, dass bei einem Anfangsverdacht den Medien der Name des Verdächtigen gesteckt wird - und diese ihn prompt veröffentlichen. Blogs und andere soziale Medien wunderten sich: Hätte da nur eine gestresste Staatsanwältin zurückgepfiffen werden müssen oder steckt der Versuch eines Rufmords hinter der Geschichte?
Dazu wollte sich Assange in seiner ersten Stellungnahme am Sonntag nicht äußern. "Ich weiß nicht, wer dahintersteckt. Wir sind ja gewarnt worden, dass das Pentagon mit faulen Tricks versuchen könnte, uns zu schaden." Assange berichtet, er sei völlig schockiert von den Anklagen gewesen. Und er beteuert: "Ich habe niemals mit einem Menschen Sex gehabt, wenn das nicht auf totaler Freiwilligkeit von beiden Seiten beruhte." Nichts, was er getan habe, passe auch zu der Bezeichnung "sexuelle Belästigung". Konkret werde er aber zu den Vorwürfen erst Stellung nehmen, wenn ihm Einzelheiten bekannt seien.
Aftonbladet hatte Kontakt mit einer der beiden Frauen. Sie berichtet, ein ursprünglich freiwilliger Sexualverkehr mit Assange sei in einen Übergriff übergegangen. Sie sei von einer anderen Frau kontaktiert worden, die eine ähnliche Erfahrung mit Assange gemacht habe. Beide hätten sich daraufhin entschlossen, zur Polizei zu gehen.
Auch wenn der Vergewaltigungsverdacht zurückgenommen wurde, geht Assange davon aus, dass diese Geschichte Wikileaks geschadet hat: "Ich weiß aus Erfahrung, dass die Feinde von Wikileaks weiter darauf herumreiten werden, selbst nachdem alles dementiert wurde."
Letztendlich sei er dem schwedischen Rechtssystem dankbar, dass der Verdacht so schnell beseitigt worden sei. Dennoch müsse man die erste Staatsanwältin kritisieren, meint Assange, "ebenso die Medien, die diese Anklagen verbreiteten".
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