Härtetest für Franz Josefs Erben

■ Bei den am Sonntag stattfindenden Kommunalwahlen in Bayern droht der CSU Konkurrenz von rechtsaußen

Von Wahlkampfstimmung ist im Freistaat herzlich wenig zu spüren, Bayerns Politprominenz läßt sich zur Zeit lieber in der DDR feiern, als zu Hause Wahlprogramme zu proklamieren. Für die absolute Mehrheiten gewohnte CSU ist die Wahl ein erster Test nach dem Tod ihres charismatischen Vorsitzenden. Während die SPD auf den „Lafontaine-Effekt“ setzt, hoffen die „Republikaner“ auf eine Wiederholung ihres sensationellen Erfolgs bei den Wahlen zum Europaparlament.

„Das Wahljahr 90 stellt für uns die größte politische Herausforderung seit langem dar.“ In dieser Einschätzung sind sich Christlich-Soziale, Sozialdemokraten und „Republikaner“ in Bayern einig. Nicht weniger als drei Wahlen stehen in diesem Jahr im Freistaat an: im Oktober die Landtagswahl, zwei Monate später die Bundestagswahl und als Startschuß am Sonntag die Kommunalwahl. Letztere steht ganz im Schatten der DDR-Volkskammerwahlen, die CSU-Prominenz hält sich mehr bei ihren DSU-Parteifreunden in Sachsen und Thüringen auf als in heimischen Gefilden. Auch die weiß -blaue SPD schickt ihre Cracks dort ins Rennen, nicht zuletzt um sich selbst an den jubelnden Massen zu laben und daraus neue Kraft für das politische Überleben in der bayerischen Diaspora zu schöpfen.

Im Freistaat dagegen ist von Wahlkampfstimmung kaum etwas zu spüren, obwohl es am 18. März um die Besetzung von 35.000 Mandaten und Spitzenpositionen in Städten und Gemeinden geht. 2.000 Oberbürgermeister-, Bürgermeister- und Landratsstühle stehen zusätzlich zur Disposition. 150.000 Kandidaten bewerben sich darum auf einer noch nie dagewesenen Listenvielfalt. Bei den letzten Kommunalwahlen 1984 kam die CSU bayernweit noch auf 49,8 und die SPD auf 30,5 Prozent. Für die absolute Mehrheiten gewohnten Christsozialen ist es der erste Härtetest auf heimischem Boden nach Franz Josef Strauß. Schon bei den Europawahlen rutschte die Partei zum ersten Mal seit 1970 wieder unter die 50-Prozent-Marke.

Insbesondere die bayernweit 14,6 Prozent erzielenden rechtsextremen „Republikaner“ lehrten die CSU das Fürchten. Der Versuch der CSU, über eine Aufsplitterung in verschiedene Listen mehr Kandidaten in die Rathäuser zu hieven, ging in die Hose. Die Wahlausschüsse in München, Amberg, Passau, Rattelsdorf und Bobingen entlarvten die Tarnlisten der CSU, die sich hinter solch phantasievollen Namen wie „Junge Liste e.V.“, „Bürgerliste“ oder „Freie Bürgerunion“ verborgen hatten, und verweigerten ihnen die Zulassung.

„Wir sind zu brav geworden, wir müssen wieder kämpfen lernen“, hatte Bayerns Ministerpräsident Max Streibl schon zum Jahreswechsel seine Parteifreunde auf die anstehenden Wahlen eingeschworen. Bereits auf dem CSU-Parteitag Ende November 1989 hatte Streibl die Marschrichtung ausgegeben, der lästigen Konkurrenz von rechtsaußen durch Annäherung das Wasser abzugraben. Er erklärte den Sozialismus für „naturwidrig“, forderte eine „freies Europa vom Ural bis zum Atlantik mit Bayern im Herzen“ und machte die „nach wie vor ungebrochene Asylantenwelle“ für die Wohnungsnot verantwortlich. CSU-Vorsitzender Theo Waigel brachte penetrant das Fortbestehen des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 auf die Tagesordnung, Innenminister Stoiber warnte vor einer „durchrassten Gesellschaft“ und forderte „lebenslänglich“ für Großdealer. Auf dem kleinen Parteitag am 18. Februar in Augsburg schoß sich Stoiber auf die Gewerkschaften ein und tat kund, daß die Neue Heimat Bayern, deren 33.000 Wohnungen im Freistaat zum Verkauf anstehen, „keinen Groschen erhalten“ werde. Zugleich beschloß die CSU, um die verärgerten Bauern wieder bei der Stange zu halten, den ländlichen Raum verstärkt zu fördern. Dort fänden schließlich „die Grundwerte eines christlich geprägten Menschenbilds besondere Beachtung“.

Hardlinerkurs

„Uns muß man anmerken, daß wir unsere Heimat lieben“, betonte Parteichef Waigel. Zwei Tage nach dem Parteitag entschied das Kabinett, die Anreize für Aus- und Übersiedler zu kürzen. Noch kurz vor den Landtagswahlen im Saarland hatte Waigel wegen dieser Forderungen Oskar Lafontaine als „Schönhuber der SPD“ beschimpft. Gleichzeitig beschlossen die Minister, im Bundesrat für eine Änderung des Asylrechts im Grundgesetz initiativ zu werden. CSU-Fraktionschef Glück forderte zusätzlich „wirksame Abwehrinstrumente, um den Zustrom von Ausländern sozial verträglich zu gestalten“, ansonsten drohe eine massive Ausländerfeindlichkeit. Ende Februar erhob Innenminister Stoiber das Klagelied von der erhöhten Ausländerkriminalität: „Die ausländische Wohnbevölkerung ist deutlich stärker mit Tatverdächtigen belastet als die deutsche.“ Doch trotzdem behaupte Bayern bei der inneren Sicherheit „unangefochten bundesweit den Spitzenplatz“. Anfang März schließlich krönte die CSU -geführte Staatsregierung ihren Hardlinerkurs und reichte beim Bundesverfassungsgericht eine Normenkontrollklage gegen die Notlagenindikation und Finanzierung von Abtreibung auf Krankenschein ein.

Da die CSU selbst nicht so recht an die Wirksamkeit ihres Rezepts zu glauben scheint, sind die Weichen für eine Zusammenarbeit mit den Reps längst gestellt worden. Bereits kurz nach den Europawahlen hatte Parteichef Waigel explizit nur eine Koalition mit den Reps auf Bundes- und Landesebene ausgeschlossen. Die Reps dagegen hoffen, daß die WählerInnen in ihnen das Original und in der CSU die Kopie erkennen. Sie hoffen daher, wie die stellvertretende Oberpfälzer Bezirksvorsitzende Erika Klier, schlicht auf „die Leute, die noch normal denken“.

Reps optimistisch

Der Flop bei den saarländischen Landtagswahlen hat den Stellenwert der bayerischen Kommunalwahlen für die Reps zusätzlich erhöht. „Wir haben den Helm fester geschnallt“, tönt Pressesprecher Karl Richter, schließlich gehe es um die Zukunft der Partei. Der mitgliederstärkste und am besten durchstrukturierte Landesverband müsse mit einem guten Abschneiden den Wählern bundesweit signalisieren, daß die Reps entgegen allen Trends eine realistische Chance besitzen, den Einzug ins Parlament zu schaffen. Mit ihrem ausländerfeindlichen kommunalpolitischen Manifest unter dem eindeutigen Motto „Unseren Städten und Gemeinden eine deutsche Zukunft“ hoffen die Reps an ihre guten Europawahlergebnisse insbesondere in den Städten (Rosenheim 22,1, Augsburg 19,6, Ingolstadt 19,1, Nürnberg 17,6, München 15,0 Prozent) anknüpfen zu können. Sie fordern darin, die „Dauerbelegung deutschen Sozialwohnraums durch Asylanten und Ausländer“ zu beenden und Sofortmaßnahmen gegen die „Belastung der Kommunen durch die Massenzuweisung von Asylanten“ einzuleiten. Parallel dazu wollen sie die „deutsche und bayerische Identität wiederbeleben“. Die Jugend müsse daher verstärkt in Landsmannschaften und Schützenvereine integriert werden.

Die Sozialdemokraten, die bei den Europawahlen ihr schwächstes Ergebnis ihrer bisherigen Geschichte bei den Landtagswahlen 1986 (27 Prozent) noch einmal um drei Prozent unterbieten konnten, hoffen auf den Lafontaine-Effekt. Der Erfolg des designierten SPD-Kanzlerkandidaten im Saarland, so glaubt Bundesvorsitzender Vogel, gebe der SPD schon bei den Kommunalwahlen in Bayern eine gute Chance zuzulegen. Die CSU stecke in einer „tiefen Identitätskrise“, macht SPD -Fraktionsvorsitzender Hiersemann auf Zweckoptimismus. Vorbei seien die Zeiten, „da die CSU glauben konnte, Bayern sei ihr gleichsam vom lieben Gott persönlich in Erbpacht übergeben worden“. Hiersemann tönt, die CSU habe es sich in Bayern zu bequem gemacht: „Die SPD ist seit Jahren im Trainingslager, fit für den Aufstieg.“ Schon allein der Auftaktslogan für das Wahljahr 1990 „Bayern bewahren, Deutschland gestalten, den Menschen dienen“ scheint der SPD noch einen längeren Aufenthalt im Trainingslager zu sichern.

Bernd Siegler