Härtefallkommission zieht Bilanz: Innensenator ist häufig gnädig
Kein Innenminister gibt so vielen abschiebebedrohten Ausländern eine Perspektive in Deutschland wie SPD-Innensenator Ehrhart Körting. Die Härtefallkommission lobt ihn, kritisiert aber die Ausländerbehörde
Die Berliner Härtefallkommission zieht für ihre Arbeit im vergangenen Jahr positive Bilanz. 196 Fälle habe die Kommission Innensenator Ehrhart Körting (SPD) 2009 vorgelegt, teilten die sieben Mitglieder der Kommission am Freitag mit. In 134 Fällen habe der Senator einer Aufenthaltsbewilligung zugestimmt. 62 Fälle wurden abgelehnt.
Die Härtefallkommission aus VertreterInnen von Verwaltung, Kirchen und Beratungsstellen kann dem Innensenator Gnadengesuche für von Abschiebung bedrohte AusländerInnen vorlegen, in deren Fällen alle anderen Instanzen bereits negativ entschieden haben. Der Senator kann dann aus humanitären Gründen deren Aufenthalt legalisieren. An die Kommission wenden können sich von Abschiebung bedrohte Flüchtlinge, aber auch lange in Berlin lebende Migranten, deren Aufenthaltserlaubnis etwa wegen gesunkener Einkommen nicht verlängert wurde. Auch wer nie im Besitz eines legalen Aufenthaltstitels war, kann sich an die Härtefallkommission wenden. Diese Möglichkeit biete kein anderes Bundesland, lobt Kommissionsmitglied Traudl Vorbrodt.
Überhaupt sei Berlin im Vergleich mit anderen Bundesländern Spitze bei der Bewilligung der Gnadenerlasse, lobt die Kommission. Bundesweit falle ein Viertel der positiven Bescheide der Innenminister auf Berlin. Der Innensenator habe "ein offenes Ohr für das Thema", lobt Kommissionsmitglied Pater Martin Stark vom Jesuitenflüchtlingsdienst.
Doch es gibt auch Kritik: Manche Fälle landeten vor der Härtefallkommission, weil die Ausländerbehörde ihre Ermessensspielräume nicht nutze, so Stark. Etwa wenn wegen gesunkener Einkommen die Aufenthaltsgenehmigungen langjährig hier lebender MigrantInnen nicht verlängert würden: "Da geht es oft nur um 30 Euro", so Stark: Dabei sei die Erfüllung der Bedingungen für den Lebensunterhalt bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage "ein großes Problem".
Der Berliner Flüchtlingsrat fordert vom Innensenator zudem die stärkere Berücksichtigung humanitärer Aspekte. Straffällige hätten bislang kaum Aussicht auf dessen Gnade, kritisiert Vorbrodt, die den Flüchtlingsrat in der Härtefallkommission vertritt: "Wer seine Strafe verbüßt hat, muss diese Chance aber bekommen."
Menschen sichere Aufenthaltsperspektiven zu geben sei in Berlin gewollt, bilanziert der Integrationsbeauftragte Günter Piening. Die Zahl der geduldeten Flüchtlinge sei seit dem Jahr 2001 von 20.000 auf 4.000 gesunken - meist durch Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen. In Berlin wurden im Jahr 2009 rund tausend Menschen abgeschoben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen