: Härtefallkommission droht mit Streik
Die Opposition im niedersächsischen Landtag fordert grundlegende Änderungen bei der Härtefallkommission. Fünf Mitglieder und ihre jeweiligen Stellvertreter wollen keine Fälle mehr behandeln, so lange sich nichts ändert
Der Streit um die niedersächsische Härtefallkommission eskaliert. Im Landtag fielen gestern harte Worte. Als die stellvertretende grüne Fraktions-Chefin Ursula Helmhold den gestern von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) gemachten Vorschlag, die Kommission auf neun Mitglieder zu vergrößern, als „Säuseln“ abtat, raunzte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Bernd Althusmann, sie an: „Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache, es funktioniert meistens bis zu dem Zeitpunkt, zu dem manche aufstehen und eine Rede beginnen.“
Alle drei Oppositionsparteien hatten vorher in einem gemeinsamen Antrag eine grundlegende Reform der Härtefallkomission gefordert. SPD, Grüne und Linksfraktion verlangen ein weiteres Kommissionsmitglied aus der Flüchtlingssozialarbeit, Kommissionsentscheidungen mit einfacher Mehrheit, die Streichung einer Reihe von Ausschlusskriterien, nach denen die Kommission sich mit Anträgen gar nicht erst befassen darf, sowie die Aussetzung von Abschiebungen, so lange ein Fall zur Befassung vorliegt.
Der größere Teil der Kommission teilt diese Forderungen und will in den Streik treten, so lange sie nicht erfüllt werden. „Unter diesen Bedingungen wollen wir keine Eingaben mehr beraten“, sagte das stellvertretende Mitglied für die freie Wohlfahrtspflege, Hans-Jürgen Marcus von der Caritas Hildesheim nach einer Krisensitzung des Gremiums am Donnerstag. Er spricht für die Vertreter von Kirchen, Sozial- und Kommunalverbänden in der Kommission, insgesamt fünf der acht Mitglieder sowie ihre jeweiligen Stellvertreter. Sie wollen sich nun in einem Brief an Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) wenden und hoffen auf einen Gesprächstermin noch vor der nächsten Sitzung der Härtefallkommission am 19. März.
Der Hintergrund: Die Kommission hat bisher acht Mitglieder. Sie kann auf dem Rechtsweg gescheiterten Ausländern nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zu einem Aufenthaltsrecht verhelfen. Bisher fielen Entscheidungen meist mit fünf zu drei Stimmen – zu wenig für einen positiven Bescheid. Nun drohten die Mehrheitsverhältnisse zu kippen: Für den zurückgetretenen Celler Ratsherrn Wulf Haack (CDU) hätte eigentlich dessen Stellvertreterin Sybille Nass vom Hannoverschen Flüchtlingshilfsverein Kagah nachrücken sollen. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ernannte jedoch stattdessen seinen Ministeriums-Mitarbeiter Hubertus Lueder – und stärkte so seinen Einfluss auf die Kommission.
Die Landesregierung steht unter Druck der Kirchen, die eine zu geringe Anerkennungsquote bemängeln. Der Braunschweiger Bischof Friedrich Weber hatte sich bei Wulff unter anderem darüber beschwert, dass der Fall einer afghanischen Familie aus der Grafschaft Bentheim nicht zur Behandlung angenommen wurde. Offenbar deshalb fiel Wulff seinem Innenminister am Donnerstag in den Arm, der Änderungen an der Verordnung zur Härtefallkomission ablehnt. Wulff schlug ein neuntes Mitglied vor: den Vorsitzenden des Petitionsausschusses im Landtag, Klaus Krumfuß (CDU). Für die Verbände inakzeptabel: Sie fürchten eine Blockade der Vertreter aus der Politik. JANK