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Händeschütteln der Versöhner

■ Als „wichtigste Aufgabe“ seiner Amtszeit sieht Bundespräsident von Weizsäcker seinen viertägigen Besuch in Polen. Die Voraussetzungen für eine deutsch-polnische Aussöhnung sind ziemlich gut. Die Polen, denen die Deutschen weitaus mehr Unrecht antaten als umgekehrt, baten jetzt zuerst um „Vergebung“ für die Vertreibung der Deutschen.

Wenn Richard von Weizsäcker heute in Warschau seine viertägige Polenreise antritt, werden die polnischen Journalisten in der Pressemappe der Botschaft einen Text aus dem Jahre 1985 finden, den viele von ihnen bereits kennen: die Ansprache des Bundespräsidenten zum 40. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges. Vielen Polen ist der Text gut bekannt, bereits vor Jahren wurde er von Untergrundverlagen ins Polnische übersetzt und unterderhand verbreitet. Zu einem großen Teil verdankt Richard von Weizsäcker sein Ansehen unter Polens Intellektuellen dieser Rede. Auch sein Buch Die deutsche Geschichte geht weiter ist inzwischen in Polen übersetzt worden.

Weizsäcker kommt zu einer Zeit nach Polen, in der sich die Emotionen über Bundeskanzler Kohls Äußerungen zur Oder-Neiße -Grenze und zur Reparationsfrage wieder einigermaßen gelegt haben. Gerade erst vor wenigen Tagen erschien in der Warschauer Tageszeitung 'Trybuna‘ ein Bericht über ein informelles Treffen Kohls mit ausländischen Journalisten in Bonn, in dessen Verlauf der Kanzler erklärte, er wolle „die Grenzfrage schnell und endgültig vom Tisch bringen.“ Gut angekommen sind in Polen auch Weizsäckers Äußerungen zu diesem Thema, zuletzt in seinem 'Spiegel'-Interview, in dem er feststellte, es gebe keine Gründe, davon zu reden, die Grenzfrage sei „offen“. Jüngsten Umfragen zufolge sprechen sich zwei Drittel der Polen dafür aus, die Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik zu intensivieren. Vor wenigen Wochen noch entsprach dies dem Prozentsatz derjenigen, die sich vor der Wiedervereinigung fürchteten oder der Bundesrepublik eher reserviert gegenüberstanden.

Im Gegensatz zu Kohls Besuch im November letzten Jahres wird es bei Weizsäckers Visite kaum Anlaß zu Verstimmungen geben. Kohl hatte im letzten Jahr zur Verärgerung vieler Polen versucht, ein demonstratives Treffen mit Vertretern der deutschen Minderheit auf dem schlesischen St. Annaberg zu arrangieren, einem Ort, der für die Polen eine Art nationale Kultstätte im Zusammenhang mit den schlesischen Aufständen darstellt. Der Bundespräsident hat nun, wie viele andere bundesdeutsche Politiker vor ihm auch, sein Treffen mit Vertretern der deutschen Freundeskreise nach Warschau gelegt - er hat sie einfach zu einem Empfang zusammen mit bundesdeutschen Journalisten und Mitgliedern seiner Delegation eingeladen.

Anders als Kohl, der damals wegen der Öffnung der Berliner Mauer seinen Besuch in Polen für einen Tag unterbrach, wird sich Weizsäcker nun auch mit Primas Glemp treffen. In seinem dichtgedrängten Besuchsprogramm vorgesehen sind außerdem Gespräche mit dem Solidarnosc-Vorsitzenden Lech Walesa, dem Fraktionschef des Parlamentarischen Bürgerklubs, Prof. Geremek, Außenminister Skubiszewski, Präsident Jaruzelski, Ministerpräsident Mazowiecki und eine Diskussion mit Danziger Studenten. Auch auf der in Polen so wichtigen symbolischen Ebene ist das Programm sehr ausgewogen: Der Bundespräsident wird Kränze niederlegen am Denkmal des Aufstandes des Warschauer Ghettos und auf dem Umschlagplatz im Vernichtungslager Treblinka, am Grabmal eines unbekannten deutschen Soldaten und am Denkmal der polnischen Verteidiger der Westerplatte, am Mahnmal für die Gefallenen des Warschauer Aufstandes von 1944, am Grabmal des Unbekannten Soldaten auf dem Warschauer Siegesplatz und in Danzig am Denkmal für die 1970 bei Protesten an der Küste von der Armee erschossenen Werftarbeiter. Besichtigen wird Richard von Weizsäcker während seines viertägigen Aufenthaltes außer Warschau auch noch Danzig, Mohrungen und Frauenburg.

Klaus Bachmann, Warschau

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