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Häkeln für das hanseatische Haushaltsloch

■ Voscherau: Hamburg wird durch Länderfinanzausgleich ausgebeutet

Drei Tage Haushaltsdebatte und ein Defizit von 1,4 Milliarden Mark für 1997, da hilft nur Häkeln: Die GAL-Abgeordnete Sabine Boehlich stach auf rosa Wolle ein. Doch da sprach noch der Oppositionsführer und Bürgermeister-Herausforderer Ole von Beust und bot zum wiederholten Male die christdemokratischen Oldie-Forderungen nach radikaler Privatisierung und massivem Stellenabbau als Lösung an.

Doch als der wahre Christdemokrat dieses Rathauses, SPD-Senatschef Henning Voscherau, an das Rednerpult trat, kehrten die Lebensgeister der Parlamentarier zurück: „Es ist ein falscher Eindruck, daß die finanzielle Decke lang genug sei und man nur am richtigen Zipfel ziehen müßte. Die Wahrheit ist, die Decke ist viel zu kurz, und wir werden uns noch viele Jahre nach ihr strecken müssen.“ Es könne doch nicht richtig sein, daß Hamburg das soeben Eingesparte wieder in den Länderfinanzausgleich einzahlen müsse. Was der Hansestadt übrig bleibe, sei eine „künstlich-juristisch herunteradministrierte Summe, die unterhalb der akzeptablen Grenze liegt“.

Denn Nehmerländern wie Bremen und dem Saarland bliebe nach dem Länderfinanzausgleich mehr übrig als Geberländern wie Hamburg. Voscherau kokettierte mit der Möglichkeit, daß Hamburg sich Bayern anschließt und vor dem Verfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich klagt.

Überraschenderweise ist Voscherau auch nicht mehr egal, wer unter ihm Mehrheitsbeschaffer ist. „Wir wollen sie behalten, Herr Reichert“, sagte er zum Gruppenchef der Stattpartei trotz der vielen Regierungskrisen allein in diesem Jahr. „Hamburg wird sich nach diesem Regierungsbündnis noch einmal zurücksehnen.“

Gefährlich für Hamburgs wirtschaftliche Entwicklung – und damit schuld am Haushaltsloch – seien die juristischen Klagemöglichkeiten betroffener Bürger. Und zwar nicht nur in Altenwerder. Der „perfektionierten Überregulierung“ in Deutschland sei es anzulasten, daß 45000 Arbeitsplätze im belgischen Antwerpen und nicht im Süden Hamburgs entstanden seien.

Alles in allem hält Voscherau das Konsolidierungsprogramm seines Senats für „eine sehr bemerkenswerte Lösung“. Nichtsdestotrotz klafft im 18 Milliarden-Haushalt 1997 ein Loch von 1,4 Milliarden. Die Verkäufe von HEW und Landesbank sollen es stopfen. Reichen wird das aber nur bis zu den nächsten letzten Löchern.

Silke Mertins

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