HSH Nordbank: Die durchleuchtete Bank
Eine aktienrechtliche Sonderprüfung des Geschäftsgebarens wollen Hamburgs Grüne durchsetzen. Ob der Koalitionspartner CDU mitmacht, ist offen. Schleswig-Holsteins CDU-FDP-Regierung ist eher ablehnend.
Die Durchleuchtung der krisengeschüttelten HSH Nordbank durch einen Sonderprüfer wird wahrscheinlich. Am heutigen Dienstag wird dieses Thema in der Senatssitzung der schwarz-grünen Hamburger Koalition debattiert. Das sei "ein sinnvolles Instrument, das wir nutzen wollen", kündigte der Fraktionschef der Grün-Alternativen Liste (GAL) Jens Kerstan, am Montag gegenüber der taz an. Er gehe davon aus, "dass das kein Koalitionsproblem wird".
Senatssprecherin Kristin Breuer wollte sich dazu nicht äußern. Über jedes Thema, das die GAL einbringe, "wird sorgfältig beraten", versicherte sie. Bislang hat vor allem CDU-Finanzsenator Michael Freytag eine Sonderprüfung abgelehnt. Auch die CDU-Fraktion in der Bürgerschaft lehnt jeden Kommentar ab. "Wir haben noch keine Ansage von der GAL", sagte Pressesprecher Hein von Schassen.
Auf einem Parteitag der GAL am Wochenende hatten Teile der Basis die Forderung nach einer aktienrechtlichen Sonderprüfung des Geschäftsgebarens der HSH Nordbank erhoben. Obwohl führende Grüne wie Kerstan und die Umweltsenatorin und Ex-Parteichefin Anja Hajduk sich zunächst dagegen aussprachen, wurde diese Forderung in den Leitantrag des Parteivorstandes hineingestimmt. "Dann machen wir das eben", sagt Kerstan jetzt, "damit kann ich gut leben."
Einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zur HSH Nordbank eingerichtet hat der neue schleswig-holsteinische Landtag am Montag. Der PUA der Hamburger Bürgerschaft hat seine Arbeit bereits aufgenommen.
Beide Gremien sollen die Gründe für die Krise der Bank ermitteln.
Zu Zeugenaussagen vorgeladen werden vermutlich unter anderen Bankchef Dirk Jens Nonnenmacher, Ex-Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD), Finanzminister Rainer Wiegard (CDU), dessen Amtsvorgänger Ralf Stegner (SPD) und Hamburgs Ex-Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU).
Eine Sonderprüfung nach Paragraph 182 des Aktiengesetzes können Anteilseigner verlangen, wenn der Verdacht auf Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung des Instituts besteht. Bei der nordrhein-westfälischen Landesbank West-LB hatte vor zwei Jahren eine Sonderprüfung ein Defizit von 600 Millionen Euro aufgedeckt, zwei Vorstandsmitglieder wurden entlassen.
Ein Sonderprüfer, in der Regel ein unabhängiger Finanzexperte oder Wirtschaftsprüfer, muss Einblick erhalten in alle von ihm gewünschten Unterlagen. Weder Aufsichtsrat noch Vorstand oder Beschäftigte haben ihm gegenüber ein Zeugnisverweigerungsrecht. Der Prüfbericht wird zudem im Handelsregister veröffentlicht - und somit wären Geschäftsinterna allgemein zugänglich. Damit hatte die Finanzbehörde bislang ihre Ablehnung begründet. Ob Freytag diese Linie gegen den Koalitionspartner durchhalten kann, ist fraglich.
Die Hamburger SPD bietet bereits ihre Unterstützung an. Ihr Antrag auf Sonderprüfung war noch im September von der Mehrheit aus CDU und GAL im Parlament abgelehnt worden. Jetzt will sie ihn erneut einbringen, kündigt Fraktionsvize und Finanzexperte Peter Tschentscher an. Die SPD wolle zudem den Grünen eine Zusammenarbeit anbieten, falls deren Koalitionspartner sich sträube.
Umstritten ist indes, ob für eine Sonderprüfung eine Mehrheit in der Hauptversammlung erforderlich ist. Dafür müssten die beiden größten Nordbank-Eigner, Hamburgs CDU-GAL-Senat und Schleswig-Holsteins CDU-FDP-Regierung, gemeinsam stimmen. Jedoch könnte die Prüfung vermutlich auch als Minderheitenrecht vor Gericht durchgesetzt werden.
Die Grünen im schleswig-holsteinischen Landtag, die im Juli im Parlament erfolglos eine Sonderprüfung beantragt hatten, unterstützen ihre Hamburger Parteifreunde. Sie würden dann wohl eine erneute politische Initiative starten, kündigen die Abgeordneten Monika Heinold und Thorsten Fürter an.
FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hingegen hält eine Sonderprüfung mit Hinweis auf die Untersuchungsausschüsse und staatsanwaltliche Ermittlungen für überflüssig. "Es spricht viel dafür", so der zu Oppositionszeiten als Nordbank-Kritiker aufgetretene Kubicki, "hier nicht noch ein weiteres Fass aufzumachen."
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