: HO-Schnitzel gegen D-Mark?
DDR-Regierung will westlichen Mitessern das Handwerk legen / Minister über neue Regelung nicht glücklich Wirksamkeit der Maßnahme zweifelhaft / Berliner Gastronomen desinteressiert: „Für solchen Unfung keine Zeit“ ■ Aus Berlin Olaf Kampmann
Besucher aus dem Westen müssen laut einer neuen Anordnung des Ministeriums für Handel und Versorgung ab sofort in DDR -Gaststätten entweder einen Umtauschbeleg der Staatsbank vorlegen können oder ihre Zeche in harter Währung löhnen.
Minister Klingbeil zur taz: „Diese Maßnahme wurde notwendig, um den überhand nehmenden Abkauf subventionierter Waren im Gaststättenbereich mittels schwarzgetauschten Geldes zu verhindern. Was allerdings die Wirksamkeit der Anordnung angeht, mache ich mir keine Illusionen. Besser wäre wohl eine Verlagerung der Subventionen von Waren auf Personen. Ich persönlich bin mit dieser Regelung nicht glücklich.“
Wir machten die Probe auf's Exempel. Die Frau hinter dem Tresen im „Spitteleck“ nickt. Jaja, die Anweisung kenne sie
-bloß, wie solle man herausfinden, wer von hier ist und wer nicht? „Die tragen doch kein Schild um den Hals!“ Im großen Kaffeehaus am Alexanderplatz macht die Serviererin ihrem Unmuß Luft: „So ein Quatsch! Selbst wenn ich einen Gast von drüben nach der Umtauschbescheinigung fragen würde - die hat er vielleicht schon letzte Woche gekriegt, und das Geld, mit dem er heute bezahlt, ist vom Bahnhof Zoo!“ Dort nämlich befindet sich der Schwarzmarkt für billigen Geldumtausch. (Übrigens, im „Cafe Rendezvous“ am Alexanderplatz auch der sezza.)
Im Speiserestaurant unter dem Fernsehturm zuckt die Kellnerin mit den Schultern. „Ich weiß überhaupt nicht, was das soll - und solange hier keiner fünf Portionen auf einmal verdrückt, ist mir das auch ziemlich egal!“ Im Keller der „Wernesgrüner Bierstuben“ in der Karl-Liebknecht-Straße hängt die Verordnung bereits an der Eingangstür aus. Aber selbstverständlich halte man sich daran, versichert der Ober. Jeder Westgast, der als solcher erkannt wird, muß seine Umtauschbescheinigung vorlegen.
Nach Abschluß des Gelages wird die verbrauchte Summe auf dem Schein notiert und der Beleg mit dem Stempel der Gaststätte faktisch entwertet. Das ist zwar umständlich, aber notwendig, erklärt die herbeigeeilte Geschäftsführerein. „Hoffentlich kehrt nun wieder Ruhe ein. Das war ja hier schon fast ein Klein-Kreuzberg!“
Beim „Nante-Eck“ kennt man die praktische Stempelregelung noch nicht. „Für solch einen Unfug haben wir auch gar keine Zeit“, brummelt eine Serviererin. Woran aber, um alles in der Welt, erkennt ein (Ost-) Berliner Kneipier einen Westgast? Der Wirt grinst. Dann zieht er mit dem Zeigefinger das untere Augenlid leicht herab - Holzauge!
Der Keeper in dem kleinen Cafe in der Spandauer Straße winkt ab. „Ich hab den Eindruck, die wollen hier kurz vor Schluß bloß schnell noch mal ein paar Westmark machen. Weißte, mich interessiert das alles eigentlich gar nicht mehr. Für mich ist das letztendlich bloß eine zusätzliche Belastung.“
Zu guter Letzt noch ein Abstecher in das Hotelrestaurant des noblen „Palasthotels“. „Umtauschbescheinigung?“ - der Oberkellner sieht den Fragenden belustigt an. „Sie wissen wohl nicht, wo Sie hier sind?“ Er weist auf ein kleines Schild, welches die Eingangstür ziert. „Valutarestaurant“ ist darauf zu lesen. Hier muß jeder Mensch mit harten Devisen zahlen - alle anderen Scheine sind nicht gefragt.
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