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H&M-Kampagne "Fashion Against Aids"Klamotten gegen Kondommuffel

Chicks on Speed reißen sich die Hemden vom Leib: Der Textilkonzern H&M verbündet sich mit Musikern, um Problembewusstsein auszustellen.

Rihanna rät: oben Textil, unten Gummi. Bild: ap

Das Prinzip H & M funktioniert bislang bestens: Der schwedische Textilkonzern durchsucht die Nischen der Subkultur nach bestechenden Stilen. Dann modifiziert er seine Beutestücke so lange, bis sie massentauglich ist. In der letzten Saison musste der Rockabilly-Chic dran glauben und füllte bald die 1.522 Filialen in 28 Ländern. Auch die Kollektionen bekannter Modemacher werden kopiert und multipliziert, wobei manche von denen den H & M-Designern die Arbeit sogar abnehmen: Karl Lagerfeld und Roberto Cavalli haben ihre alten Kollektionen gleich selbst in einer preisgünstigeren Variante bei H & M neu aufgelegt.

Dieser Tage haben wir es mit einer wesentlichen Erweiterung dieses H & Mschen Prinzips zu tun. Der Konzern kopiert neuerdings auch Problembewusstsein - und zwar das von Designers Against Aids (DAA). Von diesem Zweipersonenkollektiv aus Belgien stammt ursprünglich das Konzept, das H & M jetzt zusammen mit DAA unter dem Titel "Fashion Against Aids" global vermarktet. Mit Riesenposter sind sie damit momentan im Stadtbild von Berlin, Paris und New York präsent. Sie zeigen eine illustre Ansammlung von Menschen, die sich im Musik- und Modegeschäft verdient gemacht haben: Rihanna grinst im Tanktop, Rufus Wainwright trägt cool wie eh und je sein T-Shirt spazieren, die Chicks on Speed wüten vor der Kamera und reißen einander die Hemden vom Leib.

Sie alle tragen Kleidung, die sie für einen guten Zweck - mal mehr, mal weniger geschickt - mitgestaltet haben. Hehres Ziel der Kampagne ist es, die Jugendlichen in Industrienationen wieder für die Gefahr zu sensibilisieren, die von ungeschütztem Sex ausgeht. Und so steht auf dem von der Designerin Katharine Hamnett entworfenem Shirt in Druckbuchstaben das Wesentliche: USE A CONDOM!

Gegründet wurde die Non-Profit-Organisation Designers Against Aids von Ninette Murk. Das war vor vier Jahren. Seitdem investiert die 52-jährige Exjournalistin zusammen mit Javier Barcela, der anderen Hälfte von DAA, viel Zeit und Geld in die Idee der Prävention durch Mode. Zweimal jährlich erscheinen DAA-Kollektionen, für die Murk und Barcela bereits viele Künstler und Prominente als Designer einspannen konnten. Einige von ihnen sind jetzt auch bei der Gemeinschaftsaktion von DAA und H & M mit dabei, wie The Scissor Sisters und Chicks on Speed.

Es waren Designers Against Aids, die die Zusammenarbeit mit H & M angekurbelt haben. Murk formuliert das so: "Wir haben die guten Ideen. Und die wissen, wie man T-Shirts verkauft." Zudem sei, bevor H & M eingestiegen ist, die finanzielle Situation von DAA enorm schwierig gewesen. "Ich hatte all meine Ersparnisse aufgebraucht." Also einigte man sich auf folgenden Deal: Der Verkaufserlös geht an DAA und Projekte, die sich der HIV-Prävention widmen. H & M bekommt lediglich die Kosten gedeckt, die dem Konzern durch die Produktion entstehen, kann dafür aber öffentlichkeitswirksam soziale Verantwortung inszenieren.

Doch wie ist es bestellt um diese Verbindung von DAA und H & M und um den Transfer von Problembewusstsein? DAA, den passionierten Selbstausbeutern, kauft man ihre Sorgen um die Gesundheit Jugendlicher sofort ab. H & M, dem multinationalen Textilkonzern mit seinen 2.000 Produktionsstätten teils in Billiglohnländern steht man reflexhaft skeptisch gegenüber, wenn er mit T-Shirts für 9,90 Euro die Probleme der Menschheit beheben will. Auch wenn es mal wieder viel zu kurz greift, dieses Klischee vom kleinen Indieunternehmen, das nur das Wahre und Gute will, versus den undurchschaubaren Riesen, der lediglich auf PR und letztlich auf Profitmaximierung aus ist. Denn in diesem Fall ist das eine ohne das andere nicht zu haben.

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1 Kommentar

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  • A
    Anne

    Was ich echt nicht kapiere, ist immer dieser Starkult, wo es doch Zigmillionen Menschen gibt, die nicht halb so extrem geschminkt sein müssen und trotzdem attraktiver aussehen (und es auch sonst sind, charaktermäßig etc.). Außerdem versteh' ich nich, dass die Jungs, sorry: Männer, immer zu Kondombenutzung überredet werden, wo das doch offenbar extrem die Lust reduziert und mit gutem Petting, ohne Koitus, viel lustvollere Orgasmen erzielt werden können, als mit vielen Kondom-Koituspraktiken. Steckt dahinter vielleicht unbewusst das bis heute weltweit verbreitete Masturbationsverbot? Vielleicht sollte sich die Taschentuchindustrie (bei Papier aber bitte mit blauem Umweltengel!) 'mal der Sache annehmen und gemeinsam mit ReizwäschespezialistInnen ein paar gute Spots drehen, wie Männer (Homos & Heteros) extreme Orgasmen bei 'bloßem' Petting erleben - zugleich auch als Kampagne gegen Aids, natürlich.