HIV-positive Kinder: „Ohne Behandlung sterben 80 Prozent“
Zu wenige HIV-positive Kinder werden in armen Ländern behandelt, sagt die Ärztin Chewe Luo. Denn bei Babys ist ein spezieller Test notwendig.
taz: Von den weltweit 2,2 Millionen HIV-positiven Kindern unter 15 Jahren werden nur 27 Prozent behandelt. Warum?
Chewe Luo: Die Situation ist völlig inakzeptabel. Es kommt hinzu, dass die Zahl der behandelten Kinder seit 2010 nur um 4 Prozentpunkte gestiegen ist. Unterdessen bekommen 57 Prozent der Erwachsenen Medikamente.
Wie ist die Behandlung von HIV-positiven Kindern über den Globus verteilt?
Es gibt eine Kluft zwischen den entwickelten Ländern und den Niedriglohnländern. In den westlichen Ländern liegen die Raten zwischen 90 und 100 Prozent. Dort gibt es ohnehin nur sehr wenige Kinder mit HIV, weil das Problem von Neuinfektionen längst gelöst wurde. In Osteuropa und Zentralasien werden 65 Prozent der Kinder behandelt, in Lateinamerika 42 Prozent. In den übrigen Regionen haben wir nur sehr niedrige Quoten.
Warum gibt es so wenig Fortschritte bei der Behandlung?
Das große Problem ist die Diagnose. Kinder können nur in Speziallabors getestet werden. In einem Land wie Sambia bedeutet dies, dass viele Einrichtungen nicht testen können.
Warum nimmt man nicht den Test für Erwachsen?
Bei Erwachsenen lässt sich mit einfachen Methoden die Präsenz von Antikörpern nachweisen. Aber Kinder haben bei der Geburt die Antikörper ihrer Mutter, auch wenn sie nicht infiziert sind. Deswegen gibt ein Antikörpertest bei Kleinkindern ein falsches Resultat. Hier brauchen wir das Virus. Und der ist normalerweise in den Zellen. Es ist ein Extraktionsprozess nötig, um festzustellen, ob es ihn gibt oder nicht. Das ist sehr viel komplizierter.
Was kann getan werden, um den 73 Prozent von nicht behandelten HIV-positiven Kindern zu helfen?
Die Verbindung zu den zentralen Labors muss verbessert werden. In einer Reihe von Ländern arbeiten wir mit Trockenbluttests. Wir sammeln das Blut von Kindern und schicken es zu einem Labor. Das muss anschließend Wege finden, um die Ergebnisse an uns zurückzuschicken. Per Fax, oder SMS oder E-Mail. Aber das ist vielerorts extrem schwierig und führt zu Verzögerungen von bis zu zwei Monaten.
Die Forschung konzentriert sich auf Abschaffung und Heilung von HIV. Was heißt das für die Behandlung von Kindern?
Die meisten Regierungen konzentrieren sich darauf, die Übertragung von Müttern auf Kinder zu verhindern. Unicef und andere Organisationen müssen die Geberländer daran erinnern, dass die HIV-positiven Kinder weiterhin Hilfe brauchen. Denn wenn sie behandelt werden, überleben die Kinder.
Und wenn nicht?
Dann sterben 50 Prozent vor ihrem zweiten und 80 Prozent vor ihrem fünften Geburtstag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“