HINTER DER POLIZEI-PRÜGELORGIE IN HAMBURG STEHT NICHT NUR SCHILL: Gemeinsame Linie: Härte
Es ist, da sollte niemand sich einem Irrtum hingeben, Vorsatz. Die harte Hand, mit der in Hamburg die Rechtskoalition aus CDU, Schill-Partei und FDP regiert, ist nicht etwa das Werk des gnadenlosen Rechtspopulisten Ronald Schill. Es ist die gemeinsame Linie des gesamten Senats, alle gut gemeinten Appelle an den angeblich doch so liberalen Regierungschef Ole von Beust (CDU) beweisen nur eines: die politische Naivität des Bittenden.
Seit einer Woche treibt der Stadtstaat auf bürgerkriegsähnliche Zustände zu, wie sie seit den Belagerungszuständen in der Hafenstraße Ende der Achtzigerjahre überwunden zu sein schienen. Diese jetzt wieder herbeizuführen ist nüchternes Kalkül politischer Partner in einer Stadt, die noch immer nicht verkraftet hat, dass sie einst Wohnsitz von Mohammed Atta war. Im Kreuzzug „gegen Terroristen und Chaoten“ halten die Christdemokraten des jugendlichen Sonnyboys von Beust sich in Gestalt Schills einen Mann für das Grobe, der Stammtische und Springer-Presse zu bedienen hat. Ihre eigenen Hände waschen sie in Unschuld.
Für die Union ist diese Rechnung bisher aufgegangen, für Schill jedoch nicht. Während die Christdemokraten in einem Jahr der gemeinsamen Regierung in der öffentlichen Meinung zulegte, stürzte die Schill-Partei in der Wählergunst drastisch ab. Der Innensenator selbst wurde in Umfragen zum mit Abstand unbeliebtesten Politiker Hamburgs erklärt. Da aber beide nur gemeinsam an der Macht bleiben können, muss von Beust seinem Partner freie Hand lassen. Die Rückeroberung des rechten Randes durch Kriminalisierung von Bauwagenbewohnern und Protestierern sowie Kraftdemonstrationen der Staatsmacht sollen das gemeinsame politische Überleben sichern.
An dieser Stelle wird die selbst gestellte strategische Falle unübersehbar: Die Sogwirkung Schills auf eine CDU, deren wichtigster Partner rechts von ihr steht, ist gewaltig. Und es sind keine Anzeichen zu erkennen, dass die Partei, die sich selbst so gern zur politischen Mitte rechnet, dem etwas entgegenzusetzen vermag. Oder das überhaupt noch versuchen möchte. SVEN-MICHAEL VEIT
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