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HILFTDABEI

TANZENIMSOMMERDERLIEBE  ■  ADAMSKI

Vor zwei Jahren war er ein blaßblütiger, bleichgesichtiger Jüngling an Tastatur und Bandmaschine, der in warmen Sommernächten englische Parkanlagen und Autobahnen mit hand- und hausgemachter Tanzmusik beschallte und damit einen Großteil der ansässigen, aufsässigen Jugend zu einem weiteren Sommer der Liebe verhalf.

Letztes Jahr galt er als Entdeckung dessen, was man für vielerlei Unbekanntes stellvertretend Rave nannt: er, ein Keyboard-Magier, wie in alten Zeiten Jean Michel Jarre oder Klaus Schulze, aber mit mehr Groove und frostigerem Outfit. Im Video stand der Blondschopf da noch seltsam melancholisch (oder miesgelaunt?) immer etwas schräg der Beleuchtung im Wege, mit einem Bein schon wieder der aufzeichnenden Kamera abgewandt. Wie ein kleiner Künstler, Erb(petit)prinz von Mark Moore und seinem flippigem Hofstaat S-Express, in Pelzstola und mit Orientalenhut. Noch House, noch Techno, noch voller N-R-G.

Dann kam der Hit »Killer«, damit war Adamski Superstar, ganz allein ganz groß im Fernsehen bei »Top of the Pops« vor kreischenden Fans, zielgerecht in die Kamera grinsend. Etwas spöttisch zwar, aber, na gut, wenn die da unten es wollten, dann machte er ihnen eben den Chef-Raver und Papst des Neotechno mit digitalem Segen.

Mit dem Ruhm wuchs auch die Akzeptanz jenseits des Mob, hier und da wurde der junge Mann als Doctor Adamski vorgestellt, der Rave zur Wissenschaft erhoben hat. Der produziert nicht mehr Grundlagenforschung, sondern cleverstes Entertainment. Gebärdet sich wie die House-Variante von Sigue Sigue Sputnik. Hechelt Rocknummern tanzbodenflach mit ravetypischem Basisakzent herunter, egal ob Presley oder die Doors. Weiß Grüße an Elton John zu richten, steigt tief hinab in die Rock- und Popgeschichte, hört selbst die allerfrühesten Duo-Spielereien von Kraftwerk auf Kopiertauglichkeit durch und hat am Ende wahrscheinlich recht dabei.

Die Kenntnis des Alten als Waffe benutzen, Experimente mit dem Humus des längst Begrabenen. Wiederbelebung. Discodoktor Frankenrave hat ein Tanzmonster geschaffen: Adamski, das entfesselte Rockornament. Harald Fricke

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