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HAMBURGER-ROCK

■ Grant Hart feat. The Strangemen im Loft

Fett und unrasiert und ungewaschen, aber in einem blütenweißen Hemd, das seinen hamburgermäßig ausufernden Körper nur schwer unter Kontrolle hält. Doppelkinn und speckige Haare, Ringe unter den Augen, dies ist Rock'n'Roll -Lifestyle. No more rope and too much dope, keinen Durchblick mehr und zuviel Dope wird er im letzten Lied des Konzertes, „Pink Turns To Blue“, singen, er wird die höhere Oktave beim Refrain nicht schaffen und sich doch nicht in seinen eigenen Zeilen wiedererkennen.

Hüsker Dü hatten sich aufgelöst, weil Bob Mould und Greg Norton nicht mehr mit Grant Hart, nicht mehr mit dem Touren, Saufen, Platten, Drogen, Touren zurechtkamen. So wie er hier auf der Bühne steht, sieht man das zwar überdeutlich, aber man hört auch, daß sich die Vorstellungen der beiden Songschreiber Hart und Mould zu weit voneinander entfernt haben. Während Mould auf seine Soloplatte elegische, halbakustische Soundtracks zu melancholischen Filmen aufgenommen hat, fröhnt Hart weiter dem ewig jugendlichen Rock'n'Roll. Beide gehen ihren Weg weiter und beweisen doch nur, daß gerade sie zusammen, als zwei entgegengesetzte Pole, in der Lage waren, den großartigsten Post-Punk zu machen, eben Hüsker Dü zu sein.

Was bleibt bei Hart, unterstützt von den Strangemen, die wiederum verstärkt durch Beckmann (Ex-Rainbirds), sind dieselben oder zumindest ähnliche Songs wie damals, dieselben Melodien, dieselben Akkorde, aber die dröhnende Leichtigkeit, die schwebende Härte sind dahin. Kein brausender Melodienfluß mehr, einfach ein Rock'n'Roll-Song bleibt von alten Hüsker-Klassikern wie „Girl On Heaven Hill“ oder „Diane“. Aber vielleicht spürt er das, denn er spielt nur wenige Hüsker Dü-Songs, auch nur wenige Sachen von seiner Soloplatte, statt dessen obskure Coverversionen selbst Johnny Cash muß dran glauben.

Hier zeigt sich auch wieder, daß keine der Epigonenbands wie die Strangemen auch nur den Sound von Hüsker Dü erreichen kann, und wenn sie noch soviel nachspielen, sie werden nie die vierte Dimension erreichen. Keine Chance, auch wenn manchmal eine Ahnung von der ursprünglichen Großartigkeit der alten Songs aufkommt, aber vielleicht ist das auch nur eigenes Wunschdenken.

Was bleibt, ist ein durchschnittlich gutes Rock-Konzert und die Erkenntnis, daß zwei halbe Hüskers schlechter sind als eine ganze Band Hüsker Dü, und daß die alten Zeiten nicht wiederkommen. Kann man nur hoffen, daß Grant Hart alt genug wird, das auch zu merken, und sich ansonsten etwas mehr vor Hamburgern in Acht nimmt.

Thomas Winkler

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