: Gysi bürgert West-PDS aus
Ex-PDS-Chef Gregor Gysi greift in den NRW-Wahlkampf ein. Kurz vor der Wahl beklagt er das Scheitern der Sozialisten in den westlichen Bundesländern. PDS-Wahlkämpfer sind sauer: „Der ist bekloppt“
VON MARTIN TEIGELER
Die PDS-Wahlkämpfer in NRW ärgern sich über Gregor Gysi. Kurz vor der Landtagswahl am kommenden Sonntag hat der frühere PDS-Vorsitzende die Westausdehnung der Sozialisten für gescheitert erklärt. Die PDS wirke „im Westen eher wie eine ausländische Partei“, so Gysi in einem Tagesspiegel-Interview. Die Linken in den westlichen Bundesländern hätten „Hemmungen“ gegenüber der PDS. „So kurz vor der Wahl ist Gysis Äußerung tendenziell unpolitisch“, sagte der PDS-NRW-Vorsitzende Paul Schäfer gestern zur taz. In dieser „krassen Form“ seien die Gysi-Äußerungen innerhalb der PDS eine Einzelmeinung. „Die große Mehrheit der Partei ist dagegen, den Westen aufzugeben“, so Schäfer.
Besonders der Zeitpunkt der Gysi-Kritik erbost viele PDS-Aktivisten. „Das hätte er auch eine Woche nach der Wahl sagen können“, sagt die PDS-Europaabgeordnete und frühere Dortmunder Bundestagskandidatin Sahra Wagenknecht. Fünf Tage vor der Wahl liefen Gysis „unverantwortliche“ Einlassungen auf eine „Wahlempfehlung“ für die neue Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) hinaus, kritisiert Wagenknecht. WASG und PDS liefern sich derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den fünften Platz bei der NRW-Landtagswahl. Laut Umfragen liegen die beiden Linksparteien jeweils zwischen 1 und 2 Prozent. „Deshalb ist das für die Partei ein Schlag in den Rücken“, sagt Wagenknecht. PDS-Landtagskandidaten, die nicht zitiert werden wollen, formulieren ihre Kritik an Gysi noch deutlicher. „Der ist bekloppt“, sagt ein Wahlkreiskandidat aus dem Rheinland. „Da sitzt jemand in Pankow und kriegt nicht mehr alles so mit“, ärgert sich ein NRW-Wahlkämpfer über den Parteipromi aus Ost-Berlin. „Manche Leute sind so eitel, dass sie immer was sagen müssen.“
Ute Abraham, Fraktionsgeschäftsführerin der Duisburger PDS, bemängelt nicht nur das Timing, sondern auch den Inhalt des Gysi-Interviews. „Das ist völlig daneben“, sagt sie. Der Kampf gegen Rechts und der Einsatz für eine „andere, soziale Politik“ sei in Duisburg durchaus erfolgreich, so Abraham. In der früheren SPD-Hochburg sitzt die PDS als offene Liste in Fraktionsstärke im Stadtrat. „Wir haben über 30 Aktive und sind nicht auf Promis wie Gysi angewiesen.“ Kommunalpolitisch präsent ist die PDS auch in Wuppertal. Knapp 4 Prozent erreichten die bergischen Sozialisten bei der letzten Kommunalwahl im Herbst (siehe Infokasten). „Es gibt gewisse Erfolge für die PDS im Westen“, sagt der Wuppertaler PDS-Fraktionschef Gerd-Peter Zielezinski. Recht habe Gysi, wenn er den „ostigen Geruch“ der Partei anspreche. „Aber als Fremdkörper werden wir nicht mehr wahrgenommen“, so Zielezinski. Früher war das anders: Im Bundestagswahlkampf 1994 hätten sich die Bürger noch gewundert, weil die Wuppertaler PDS-Kandidaten „kein Sächsisch sprachen“.
PDS-intern wird Gysis Vorstoß in Zusammenhang gebracht mit den jüngsten Überlegungen des früheren SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine. Der Saarländer hatte sich im NRW-Wahlkampf auf einer Gewerkschaftsveranstaltung mit Vertretern der WASG präsentiert. Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass Gysi und Lafontaine ein neues Linksbündnis zur Bundestagswahl 2006 schmieden wollen. Nach dem Motto „Im Osten die PDS, im Westen die WASG“ solle eine wählbare Alternative für die gesamte Republik entstehen.
„Man kann ja über Bündnisse diskutieren, aber doch nicht indem man vorhandene Strukturen in den westlichen Landesverbänden gefährdet“, sagt PDS-Vorstandsmitglied Sahra Wagenknecht. NRW-Landeschef Paul Schäfer will „die Handlungsmöglichkeiten der Linken in der Bundesrepublik erweitern“. Bündnissen steht der West-Genosse offen gegenüber. Schon im Vorfeld der NRW-Landtagswahl hatte Schäfer in einem Brief an den Vorstand der Wahlalternative Gesprächs- und Kooperationsmöglichkeiten ausgelotet. Doch ein Dialog kam nicht zustande, weil die Mehrheit der neuen Gewerkschafterpartei WASG nichts mit der PDS und deren Image der Ex-DDR-Partei zu tun haben will.