piwik no script img

Gymnasialklassen nach Herkunft sortiertIntegration ist eine Klasse für sich

Berliner Gymnasien bilden Schulklassen nach Herkunft und Religion. Dies erleichtere die Organisation der Stundenpläne, so die Schulen. Eltern beschweren sich, Senat hält sich raus.

Fakt ist: Die Türen dieses Gymnasiums stehen allen offen Bild: ap

Berliner Gymnasien sortieren ihre Schüler nach ethnischer Herkunft und Religionszugehörigkeit in getrennten Klassen. Dies geht aus der Antwort auf eine kleine Anfrage des bildungspolitischen Sprechers der Grünen, Özcan Mutlu, hervor. Begründet wird das Verfahren mit einer leichteren Organisation der Stundenpläne; die Klassen könnten so geschlossen am Religionsunterricht teilnehmen. Opposition und Elternverbände kritisieren die Praxis: Sie behindere Bildungserfolge und Integration.

Der Senat kündigte an, das Verfahren an der Schule zu prüfen, die in Mutlus Anfrage namentlich genannt wird. Es handelt sich dabei um das Askanische Gymnasium im Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Ob auch an anderen Schulen entsprechend selektiert wird, darüber liegen der Senatsbildungsverwaltung nach eigenen Angaben keine Informationen vor. Die Aufteilung von SchülerInnen auf einzelne Klassen erhebt die Senatsverwaltung statistisch nicht. Der Schulleiter des betroffenen Gymnasiums wollte sich der taz gegenüber nicht zu dem Verfahren äußern.

Ihm seien aus Gesprächen mit Eltern fünf bis sechs weitere Schulen bekannt, die diese Klasseneinteilung praktizieren, sagte Mutlu zur taz. Das Argument, die Trennung erleichtere die Erstellung der Stundenpläne, hält er für "an den Haaren herbeigezogen". Eine solche Trennung der SchülerInnen sei zudem "nicht im Sinne des pädagogischen Erfolgs".

In der Klasse seines Sohnes seien von etwa 30 SchülerInnen 23 "nichtdeutscher Herkunftssprache", berichtet ein betroffener Vater der taz. Seinen Namen will er aus Angst vor negativen Folgen für sein Kind lieber nicht in der Zeitung lesen. In den Parallelklassen gebe es dagegen nur zwischen fünf und neun SchülerInnen mit Migrationshintergrund: "Wie sollen die Kinder untereinander in Kontakt kommen, wenn man alle muslimischen Kinder in eine Klasse steckt?" Er fürchte weniger die bildungsbezogenen Folgen solcher Trennung als deren "Symbolik", sagt der Mann: "Die Kinder sprechen ja alle gut deutsch, viele haben keine andere Muttersprache gelernt. Aber für uns lautet die Botschaft: Ihr gehört nicht dazu."

Auch Tülay Usta, Vorsitzende des Türkischen Elternvereins, hat von der Selektionspraxis gehört. In ihren Beratungsstunden beschwerten sich häufig Eltern über solche Klassentrennungen. "Da die Klasseneinteilung aber erst am ersten Schultag bekannt gegeben wird, sind die Eltern machtlos: Sie sitzen am kürzeren Hebel", sagt Usta. Vorgeschobener Grund der Schulen sei oft auch, Kindern nichtdeutscher Herkunft so bessere Sprachförderung geben zu können. Diese Trennung sei aber keinesfalls zu befürworten, so Usta. Sie kündigte an, der Türkische Elternverein werde einen Aufruf an die Eltern starten, entsprechende Vorgehensweisen an Schulen zu melden: "Dann muss die Schulverwaltung den Schulen Hilfestellung geben, anders mit einem hohen Migrantenanteil umzugehen."

Am Neuköllner Hannah-Arendt-Gymnasium haben Eltern vor zwei Jahren erfolgreich gegen die Klassentrennung protestiert. "Wir haben damals den Fehler gemacht, eine Klasse mit 80 Prozent Schülern nichtdeutscher Herkunft zu bilden", sagt Leiter Wolfgang Oehmicke. Daraus habe man gelernt und fördere die Klasse jetzt besonders - aufgelöst wurde sie aber nicht.

Mit einer bildungspolitischen Bewertung der Trennung hält sich die Senatsbildungsverwaltung zurück. "Die Bildung von Klassen nach Herkunftssprache" sollte "kein ausschließliches Organisationsprinzip" sein, heißt es in der Antwort auf Mutlus Anfrage vage. Zeige sich in dieser Hinsicht "Beratungsbedarf bei Schulen", werde die regionale Schulaufsicht tätig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • A
    askanier

    hallo,

    ich bin selbst schüler der askanischen oberschule in berlin-tempelhof und ich kann nur bestätigen, was auch schon unsere schulleitung der presse mitgeteilt hat. aus organisatorischen gründen ist es einfacher klassen nach religionen zu ordnen, damit der religionsunterricht in den stundenplan eingeordnet werden kann.

    vor ein paar jahren war dies nicht so und der religionsunterricht war immer in der letzten stunde und demnach kamen dort nur 20 % der schüler, die normalwerweise am relgionsunterricht teilnehmen würden. - dann haben sich die einzelnen religionen beschwert und deshalb wurde das system geändert.

    aber anscheinend kann man es nie allen recht machen und deshalb wird das genörgel der ungerechten behandlung ewig weiter gehen.

    das schüler dadurch benachteiligt werden, sehe ich nicht so. nur so haben sie die chance an ihrem religionsunterrricht teilzunehmen. hinzu kommt, dass genug projekte zwischen den klassen stattfinden, sodass sich keine klasse ausgegrenzt fühlen muss.

  • H
    HamburgerX

    Ausgerechnet im rot-roten Berlin. Eigentlich ganz schön traurig bzw. überraschend.

     

    Doch der User "Leidkultur" spricht einen wichtigen Punkt an: In einem freien Staat gibt es die Abstimmung mit den Füßen. Und die wird immer stärker sein als alle Versuche, gravierende Fehler in der Einwanderungspolitik nur halbherzig anzugehen bzw. zu ignorieren.

  • H
    Hund

    Die Aska war zu meiner Zeit (-20Jahre) noch die Lieblingsschule Lichtenrader Kleinbürger. Was ist da bloß passiert?

  • HF
    Homo Faber

    Religionsunterricht hat in der Schule garnicht zu suchen. Religion ist Privatsache! Staat und Kirche gehören getrennt! So wie in Frankreich und in den USA nach deren Revolutionen vollzogen. Dann gäbe es die im Artikel beschrieben Probleme nicht und viele andere auch nicht.

    Schöne Grüße

    Homo Faber

  • M
    Menno

    Ach, menno.....Das alles ist doch nix neues.

    Ich kenne hier eine Grundschule, die auf ihrer homepage damit wirbt, eine sehr geringe Ausländerquote zu haben. Am Einschulungstag erhielten die Eltern die Klasseneinteilungen. Zwei Klassen mit jeweils 2 "ausländischen" Kindern und eine Klasse mit 95% "Ausländern". Einer Vater eines dieser "Gastarbeiterkinder", der selbst in der 3. Generation in Deutschland lebt und kein Türke, Araber oder Moslem ist, hat sich gewehrt - zunächst erfolgslos. Als er aber damit gedroht hat, die Presse einzuschalten, hat man sein Kind dann doch in eine der anderen Klassen untergebracht.

     

    P.S.

    Die Grundschule befindet sich ein einem sehr gehobenem Wohnviertel der Stadt. Der besagte Vater hat studiert und ist beruflich sehr erfolgreich. Er hat nur den "falschen" Namen.

     

    Noch Fragen?

  • JH
    Johannes Hampel

    Die Sonderung der Berliner Schüler nach Herkunft und Religion bereits ab Grundschulklasse 1 ist eine traurige Tatsache. Es sind doch alles deutsche Kinder. Dass dies nun auch offen - ohne notwendigen Grund - in den Gymnasien fortgesetzt wird, ist ein großes Übel, das beseitigt werden sollte.

  • MS
    Maik S.

    Und warum gibt es eine Trennung nach ethnischen Gesichtspunkten nur an Gymnasien und nicht an Haupt- und Realschulen?

  • B
    Bernd

    @ Leidkultur , 16.03.2010 11:06 Uhr:

     

     

    "Man kann alle Leute einige Zeit und einige Leute alle Zeit, aber nicht alle Leute alle Zeit zum Narren halten."

     

    Abraham Lincoln

     

    amerikanischer Politiker (1809 - 1865)

    16. Präsident der USA

  • K
    kiki

    Das ist nun beleibe keine Neuigkeit. In meinem altehrwürdigen Gymnasium (Berlin-Reinickendorf) war es auch so, der Blick auf meine Parallelklasse hat das mehr als deutlich gezeigt. Wobei weder Sprachförderung (alle konnten Deutsch) noch Religionsunterricht (wurde von allen abgewählt) glaubwürdige Argumente gewesen wären. Übrigens werden auch die Lehrer entsprechend zugeteilt. Die WASP-Klassen kriegen die Lehrer, die als die besten gelten. Sollte das bei "erhöhtem Förderungsbedarf" nicht eher umgekehrt sein?

  • B
    Barbarei

    Diese Menschen mit ihrer vielfältigen Kultur, ihrer Herzlichkeit und ihrer Lebensfreude sind eine Bereicherung für uns alle!” (Maria Böhmer)

     

    > Warum sind es so häufig CDU-Typen und -tanten, die pro-Islam sind? Von der SPD hört man das gar nicht sooo arg, jedenfalls nicht mehr als von der CDU! Kann man das noch anders erklären als mit einem Linksruck der CDU???

     

    Von Roth, Özdebier und Künast war nichts anderes zu erwarten...

  • M
    Marcus

    Traurig, traurig und nochmals traurig.... die Unfähigkeit der Politker ist nicht zu übersehen...wir brauchen eine ehrliche Diskussion zum Thema Islam....!!! Multikulti gibt es nicht und die Anhänger leben in speziellen guten Bezirken ohne Kontakt zur Realität...!

  • L
    Leidkultur

    Wenn dem deutschen Elternwunsch nach homogenen Klassen nicht entsprochen wird, dann hat die Schule ein viel größeres Problem, dann ziehen die Deutschen nämlich weg. Verstehe das sowieso alles nicht mehr. Keiner will multikulti und trotzdem wird es durchgepeitscht. Und die Deutschen trauen sich wegen der ausliegenden Nazikeulen nicht, ihren Standpunkt zu vertreten, stattdessen immer mehr und immer hilflosere Versuche, der muslimischen Bereicherung zu entgehen.

  • MC
    Maike Caiulo

    Ist das mit dem Grundgesetz vereinbar??