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Guttenbergs RücktrittDas Netz gibt keine Ruhe

Die neuen Medien haben Guttenbergs Plagiat-Skandal befeuert. Viele machen sie deswegen für den Rücktritt des Ministers mitverantwortlich. Stimmt das?

Anteil möglicherweise plagiierter Stellen in Guttenbergs Doktorarbeit, gezeigt vom GuttenPlag-Wiki. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Guttenberg-Rücktritt war kaum verkündet, da wurde schon das Ereignis im Netz interpretiert. "Der erste Minister, den das Internet gestürzt hat", titelte Robin Meyer-Lucht, Kopf des Blogprojekts Carta.info. Ohne die Seite "GuttenPlag Wiki", auf der Netznutzer dokumentiert haben, welche Passagen Guttenberg in seiner Dissertation kopiert hatte, wäre der Druck nicht derart groß gewesen. "Diese allgemein zugänglichen Fakten wirkten wie eine klaffende Wunde in der Selbstinszenierung des Ministers."

Netzpolitik.org-Blogger Markus Beckedahl hält das für "übertrieben". Die Vorwürfe seien in den klassischen Medien aufgekommen, das Netz habe reagiert und neue Berichterstattung ausgelöst. "Erst dieses Wechselspiel hat dazu geführt, dass der Druck auf Guttenberg so stark geworden ist", sagte Beckedahl.

Nachdem die Süddeutsche Zeitung die Plagiatsvorwürfe eines Bremer Juraprofessors publiziert hatte, waren im Netz verschiedene Initiativen entstanden, die Plagiatsvorwürfe belegten und den Minister kritisierten. Neben dem "GuttenPlag Wiki" wurde am Samstag per Netz eine spontane "Guttenbye"-Demonstration organisiert. Zudem unterstützten über 51.000 Menschen online einen offenen Brief, in dem Doktoranden und Uni-Mitarbeiter Guttenbergs Verhalten und Merkels Verhalten kritisierten. "Unser Schreiben hat dafür gesorgt, dass das Thema nicht vom Tisch kam", sagt Tobias Bunde, Initiator des Briefes.

Christoph Bieber, Politikwissenschaftler vom Gießener Zentrum für Medien und Internet, meint: "Ohne das Netz wäre der Skandal anders verlaufen - und es wäre für den Skandalierten einfacher gewesen, ihn zu überstehen." Die Uni Bayreuth hätte die Plagiatsvorwürfe hinter verschlossenen Türen überprüft - im "GuttenPlag Wiki" jedoch sei das öffentlich passiert und es habe einen "dauerhaften Zufluss" neuer Informationen gegeben, der die Berichterstattung immer wieder befeuert habe.

Dazu habe auch beigetragen, dass Guttenberg sich im Verlauf der Affäre zunehmend von der breiten Medienöffentlichkeit abschottete und die Bild-Zeitung eine Kampagne zu seinen Gunsten startete, so Bieber. Der Versuch, sich einer Skandal-Berichterstattung zu entziehen, funktioniere in einer vernetzten Öffentlichkeit nicht mehr. Und die Parteinahme der Bild für zu Guttenberg habe zu noch mehr Reaktionen in Blogs, auf Twitter und Facebook geführt - ist doch die Zeitung einer der Lieblingsfeinde vieler Netznutzer.

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10 Kommentare

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  • SR
    soeren roth

    Ich habe bei der ganzen Sache im Gefühl das es hier im klassischen Sinne um die Bestellung der Felder geht, deren Früchte man plant einmal zu ernten. Hier, besonders unter Berücksichtiung des Haupt-Kampwortes der letzten Tage (Wissenschaft/lich und der mit ihr behafteten unumstößlichkeit von "gesichertem" Wissen) und einem von ihr zu verantwortendem allzu schnellem Beitrag zur unbekömmlichkeit der Früchte für die Völker dieser Welt. Man stelle sich vor die Kritik an der Bayreuther Uni entwickele sich Richtung des mehrheitlichen Vorwurfts der unwissenschaftliche Arbeit (im Rahmen von Guttenbergs Note und ihrem Zustandekommen) und sozusagen würde Themenübergreifend eine eventuelle Unwissenschaftlichkeit bei der Beurteilung einer

    anderen Fachrichtung z.B. ... Geschichte.

    Warum und wieso ist das 20. Jahrhundert wirklich so

    gewesen wie es war, und was war wessen Beitrag und wer spielte damals schon mit falscher Maske und verübte einfach seinen Auftrag. Man stelle sich so eine Entwicklung mal vor .... dann kommen einem die Treueschwüre auf zu Guttenberg Richtung Wehrmacht (allied, join UK, USA, +++) und umgekehrt garnicht so prophetisch apokalyptisch vor, wenn er denn dann kommt um im angebombten Europa den Völkern eine Stimme zu geben - wenn die Regierungsriege ersteinmal weg ist. In dem Handgemenge kann man dann auch alles gesellschaftlich Bindende (aber resourcenverschwendende) also friedlich/kooperativ/religiös/soziale mit killen.

    Ist Guttenberg ein Leader Typ? also ein Führer?

    Ist er der Aufgabe gewachsen. Bekommen wir ein Szenario präsentiert, das nur er lösen kann? Eines das auf ihn passt?

     

     

    Brauchen wir einen Führer wie ihn oder Trump.

  • EH
    Erik Hempel

    Wenn das "Netz" so dolle ist, warum stürzt es nicht Merkel? Schliesslich ist sie Chef der terroristischen Bundeswehr, die feige und aus dem Hinterhalt 140 Menschen totbombt. Ist Massenmord kein Verbrechen mehr, weil Picasso dazu kein Bildchen malt und gibt es Immunität für Terroristen, wenn sie Bundeskanzler sind?

    Leben hier nur noch Terroristen, denen der Unterschied zwischen Betrug und Mord genauso egal ist, wie daß bombende Flugzeuge gegen Bodentruppen eingesetzt werden? Sind "Demokraten" die perfekten Mörder?

  • L
    Lothar

    @ Zwick

     

    Dass die taz manipuliert und auch Bericht und Meinung nicht auseinandehalten kann oder will, das ist hinlänglich bekannt.

  • W
    Wollux

    62% für "er hätte bleiben sollen"? Ist das jetzt Heimtücke? Hat man darauf gehofft, dass die Unionsparteien sich selbst zerlegen?

  • KZ
    klaus-michael zwick

    66 % stimmen bei TAZ ab, der Rücktritt sei ein Fehler gewesen. Was sagt das über die Leser der TAZ aus? Wäre mal gut eine Untersuchung darüber zu lesen! Oder ist das Ergebnis von aussen gesteuert?

  • V
    Vogel

    Guttenbergs Ruecktrittserklaerung war noch peinlicher, als die Enthuellung seiner Luegen, weil sie sich auf die erbaermlich verschleierte Diffamierung seiner Kritiker und heuchlerisches Mitleid fuer seine Soeldner beschraenkte. Beim Status Quo wird es hoffentlich nicht bleiben, denn die Politeliten haben sich wie in den Faellen S21 und BBI wieder einmal nicht mit den ueblichen Verlierern aus der "Praekariats"- und Hartz-IV-Liga angelegt, sondern mit Teilen ihrer eigenen Klientel, die endlich gemerkt hat, dass der alltaegliche Betrug nicht mal mehr vor ihren Haeuschen halt macht. Diese Klientel verfuegt aber, anders als die "da ganz unten", ueber die Mittel, ihrem Unmut ausdrucksstark Luft zu verschaffen - auf der Strasse und in der Presse. Es sind wohl laengst nicht alle Gutgebetteten aufgewacht, aber die Grenzen nunmehr nicht weiter akzeptablen Betruges werden immer besser sichtbar und damit vielleicht in Zukunft enger gezogen, bevor das Fass ueberlaeuft.

  • AB
    anna born

    na klar ist das internet dafür verantwortlich.

     

    und GOTTSEIDANK haben wir das internet!

    es macht doch die hintergründe transparent. wir haben viel differenziertere u weitgestreutere informationen.

     

    viele menschen können nun ihr wissen, ihre meinungen der öffentlichkeit zugänglich machen.

    wir können nun selber schreiben u müssen nicht wie hirnlose schafe einfache, propagandahauptsätze glauben, wie die "bild" sie jeden tag billig fabriziert.

     

    winkel werden ausgeleuchtet, die gerne von "winkel-advokaten" in dunkelheit gehalten werden würden.

    weshalb sollte das also ein "vorwurf" sein?

    es ist einfach ein wunderbarer, demokratischer fakt!!!

     

    das hat den tunesiern geholfen, den ägyptern u hoffentlich auch den libyern.

    warum, bitte sehr, nicht auch den deutschen, um den anfängen zu wehren?

     

    informierte leute lassen sich von machtbesessenen realitätsverzerrern, die mit antiquiertem, autoritären gebaren - o-ton kanzlerin:" wir lassen uns von niemandem erklären, was anstand ..... ist!" nicht aufs glatteis führen.

     

    informierte leute dürfen von ihrer kanzlerin nun erwarten, dass sie ihre definition von anstand eventuell mal überdenkt. wenn nicht.....

    wir sind eine demokratie. die rechnung bekommt sie noch, keine bange.

  • D
    daweed

    Natürlich stimmt das.

     

    Mich erinnerts an Tunesien oder Ägypten. Den Blender oben mit der Wahrheit die Maske vom Gesicht ziehen.

     

     

    http://www.ccc.de/hackerethics

     

    Deswegen sollten alle Regierungen aufhören, sich dem entgegenzustellen. Den Länder haben Grenzen.

     

    Das Internet auch, aber keine geographischen.

  • AN
    Arno Nym

    Am Schluss zählt die Wahrheit. Die muss raus. Darum geht's doch in der Berichterstattung an sich?! Wie die nun rauskommt, ob über das Internet oder über die Holzmedien, das ist doch am Ende egal.

  • AM
    Arnulf Meisenkothen

    Es hat offenbar weder der Minister a. D., noch einer seines gleichen verstanden, dass der Skandal nicht in den Medien passiert ist, sondern im Hause Guttenberg.

     

    Die Rücktrittserklärung spricht Bende. Der ist von seinem hohen Ross noch lange nicht herunter.

     

    Ein Rückgrat aus Haargel hält eben nur solange, wie BILD es stützt.