MIT HÜHNERAUGENPFLASTERN AUF DU UND DU: Guttaplast? Gothaplast?
■ Beiersdorf-Juristen suchen Schutz vor Ostkonkurrenz
Gotha/Hamburg (taz) — Nivea, Tesafilm, Leukoplast — mit diesen Marken macht die Hamburger Beiersdorf AG einen Großteil ihres Welt-Jahresumsatzes von knapp fünf Milliarden Mark. Das Produkt selbst ist für den Verkaufserfolg dabei weniger entscheidend als die Marke. Auf die Zehen getreten fühlten sich also die Juristen des Weltkonzerns, als in den Apotheken der westdeutschen Bundesländer plötzlich ein Pflaster gegen Hühneraugen auftauchte: „Gothaplast“, aus einer kleinen Verbandpflasterfabrik im thüringischen Gotha.
Die Markenverteidiger zeigten sich alarmiert, benutzt Beiersdorf doch als Markenzeichen „Guttaplast“ für „medikamentöse Pflaster (Hühneraugenpflaster)“, wie sie den Gothaern brieflich mitteilten. Und: Beiersdorf sei keineswegs bereit, sich sein „langjährig eingeführtes und im Verkehr bekanntes Zeichen ,Guttaplast‘ durch eine klanglich nahezu identische Marke (Gothaplast) verwässern“ zu lassen.
Nun ist „Gothaplast“ jedoch keine geschickte sprachliche Anleihe bei „Guttaplast“, sondern das den neuen BundesbürgerInnen seit DDR-Zeiten vertraute Hühneraugenpflaster und nach dem DDR- Zeichenschutzrecht seit 1965 registriert. Die Beiersdorf-Juristen machten in ihrem Brief ältere Rechte geltend: Sie hätten ihr „Guttaplast“ bereits 1961 auch in der DDR eintragen lassen — und deshalb dürfe es jetzt gar kein „Gothaplast“ geben. Aus ihrer Sicht großzügig boten die Hamburger jedoch an, „im Interesse einer gütlichen Regelung, unsere Rechte“ in den neuen Bundesländern „nicht geltend zu machen“. Die Gothaer sollten den Großhandel anweisen, ihr Hühneraugenpflaster nicht „im Bereich der alten Bundesländer“ zu vertreiben. „Guttaplast“ jedoch sollte weiter den Ostmarkt erobern dürfen. Für eine Antwort setzten die Beiersdorf-Juristen eine Zehn- Tage-Frist.
Der Brief kam in Gothas Pflasterfabrik schlecht an. „Westkonzern gegen Ostfirma“, schrieb der Betriebsrat empört an die taz. Beiersdorf habe seit der Wende versucht, „Gothaplast“ aus dem Markt zu drängen, ohne sich jedoch über die Namensähnlichkeit zu beschweren. Jetzt habe die Ostfirma endlich eine erfolgversprechende Marketingstrategie begonnen, da wolle der „Weltkonzern Gothaplast endgültig vernichten“.
Keinesfalls wolle man das, wiegelten die Beiersdorfer gestern auf Anfrage ab. Der Vorstand habe bereits vor mehreren Tagen die Rechtsabteilung angewiesen, den Brief zurückzunehmen. Beiersdorf wolle „Gothaplast“ auch im Westen dulden, sagte Pressesprecher Peter Nebel. Die Schlagzeile „Weltkonzern vernichtet Ostfirma“ hätte „Guttaplast“ wohl kaum gutgetan. Donata Riedel
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