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Berliner SzenenGuter Start ins neue Jahr

Spießrutenlaufen

Kleine Jungs böllern aus Fenstern auf die Gehwege

Eigentlich wollte ich dieses Silvester mal ausnahmsweise nichts machen und wendete mich bereits im Vorfeld von allen Feierplänen ab.

Ich kaufte mir stattdessen einen Ofenkäse und eine Flasche Wein für mich ganz allein. Gegen 21 Uhr schmiss ich nach meinem Antifestmahl den Plan vom Daheimbleiben doch über Bord und machte mich auf den Weg zu einer Freundin, die in der Sonnenallee wohnt.

Nicht weil ich nicht mit mir alleine klarkomme, sondern weil ich mir ein Bild von den Berliner Silvesterszenarien machen wollte. Schon nach wenigen Metern entdeckte ich hinter einem weißen Sperrmüllsofa eine ältere Frau, die sich panisch unter ihrer Kapuze die Ohren zuhielt. Auf meine Frage, ob alles okay sei, nickte sie kurz und ging beim nächsten Kracher wieder in Deckung.

Ich lief weiter, musste allerdings ständig die Straßenseiten wechseln, weil es kleine Jungs für lustig hielten, von Fenstern auf Gehwege zu böllern. Am Spreewaldplatz stieg ich erleichtert in den Bus, der mich bis zur Pannierstraße fuhr.

Da der Anschlussbus erst in zehn Minuten kam, setzte ich mich waghalsig zu Fuß auf der Sonnenallee in Bewegung. Keine schlaue Idee. Dort gab es noch mehr Menschen, die ihr gut verdientes Geld auf die Gehwege krachen ließen.

Als ein Böller fast meinen Kopf streifte, lief ich wieder zurück zur Bushaltestelle. Dort brachte ich mich in dem gläsernen Wartehäuschen in Sicherheit. Kurze Zeit später wurde ich von einer älteren Frau so lange überredet, ihr eine verwelkte Blume abzukaufen, bis der Bus mit Verspätung kam und mich vor die Haustür meiner Freundin brachte.

Noch im Treppenhaus suchte ich mir für den Rückweg die Nummer der Taxizentrale raus, um für einen guten Start ins neue Jahr garantieren zu können. Eva Müller-Foell

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