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„Guten Tag, die Fahrausweise bitte...“

■ In Phantasieuniformen veräppeln Künstler Guardian Angels und andere Engel

Die Pflicht ruft: Einsatzleiter Dieter Fenz steckt seine Pistole ein, überprüft ein letztes Mal seine schwarze Uniform auf korrekten Sitz und rückt die Sonnenbrille zurecht. „Wo bleiben denn die Hunde?“ fragt der 41jährige seine Hilfssheriffs, die gelangweilt mit ihren Waffen hantieren. Dann meldet sich endlich vierbeinige Verstärkung zum Streifendienst: „Pappels“, der betagte und stets treu dreinblickende Schäferhund, begrüßt mit seinem Herrchen im Schlepptau schwanzwedelnd die Kollegen der „Freiwilligen Hilfspolizei“.

Eine starke Truppe, wenngleich die seit einigen Wochen in der U- Bahn und rund um den Ku'damm patrouillierenden Ordnungshüter so gar nicht in das Bild eines Wachschutzunternehmens passen: Denn die insgesamt 15 ehrenamtlichen Schutzleute gehen in Phantasieuniformen, ausgerüstet mit Spielzeugpistolen und Plastikschwertern auf Streife. Zu den eher ungewöhnlichen Aufgaben der seltsamen Wachtruppe, die mit ihrem Projekt Wachschutzorganisationen wie die ins Zwielicht geratene Freiwillige Polizeireserve oder die ehrenamtlichen Guardian Angels auf die Schippe nehmen will, gehören „Junkieschutz, Pennerbetreuung und U-Bahn-Kontrollen“. Eine satirische Antwort auf den inflationären Einsatz von „Hilfspolizisten“.

„Die Reaktionen der Leute geben uns recht“, sagt Fenz, der bereits im vergangenen Jahr mit Aktionen wie der Installation des ersten Berliner Hundeklos von sich reden machte. „Viele fühlen sich vom Boom der Sicherheitskräfte erdrückt und bedroht“, erzählt der Künstler, ehe er in der U-Bahn zwischen den Bahnhöfen Kurfürstenstraße und Kottbusser Tor die Fahrgäste kontrolliert: „Die Fahrausweise bitte.“ Prompt zücken einige, wenn auch etwas ungläubig, ihre Tickets. Doch damit nicht genug: Eine Schülerin, die die freiwillige Hilfstruppe beim Schwarzfahren „erwischt“, errötet schließlich sogar vor Verlegenheit. „So weit ist es schon gekommen“, sagt Fenz schmunzelnd.

Für die selbsternannten Ordnungshüter haben von den Fahrgästen nur die wenigsten ein Lächeln übrig. Viele Fahrgäste nehmen erst gar keine Notiz von den Spaßvögeln. So mancher verweigert sogar die Annahme der Zettel, die die Wachmannschaft verteilt, um Nachwuchs zu gewinnen. In der Weihnachtszeit, als Fenz & Co. hin und wieder probeweise Dienst taten, war das noch anders: „Einige haben sich über uns regelrecht totgelacht“, meint Benny Fischer, ein freiwilliger Hilfspolizist der ersten Stunde. „Zum Fest der Liebe waren sie sehr zugänglich, jetzt gucken viele wieder komisch“, fügt der arbeitslose Theatertechniker hinzu, als der Troß der ehrenamtlichen Gendarmen am U-Bahnhof Kottbusser Tor aussteigt. Unter den mißtrauischen Augen der „echten“, von der BVG beauftragten Wachmännern entrollen sie zum Ende ihres Spätdienstes ein Transparent mit der Aufschrift „Hilfe, die Hilfspolizei ist wieder da“. Erst ihre Rufe wie „Komm, sei dabei, geh zur Hilfspolizei“ veranlassen die „Konkurrenz“ in den blauen Uniformen zum Einschreiten. Frank Kempe

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