: Gute Geschäfte mit Kindergärten
■ Amt für Jugend verhilft als "gemeinnütziger Verein" getarnten Firmen zu Kapital
zu Kapital
Ob der hausgemachte, eklatante Mangel an Kinderbetreungsplätzen in Hamburg jetzt von findigen Unternehmern als Marktlücke genutzt werden darf, will die GAL-Abgeordnete Ulla Bussek heute in einer Anfrage vom Senat wissen. Anlaß ist der Streit um das städtische Grundstück Kleiner Schäferkamp 19, auf dem ein Kindertagesheim gebaut werden soll.
Das Amt für Jugend (AfJ) hatte das gemeinnützige „Kinderhaus e.V. im Sternipark“, eine Eltern-Erzieher-Initiative, mit der Begründung abgewiesen, es wäre zu personalintensiv und daher zu teuer. Die Auseinandersetzung förderte Grundsätzliches zutage: Seit einiger Zeit gibt das AfJ Bewerbern den Vorzug, die ohne große pädagogische Ambitionen und ohne Eigenbedarf Betreuungsstätten bauen, wo und wie die Stadt will. Das heißt auch: extrem billig kalkuliert.
Derzeitiger Favorit, auch für den Kleinen Schäferkamp 19: die auf dem Bausektor tätige Regina Espig GmbH und deren Mini-Verein „Pusteblume e.V.“, ein optimales Tandem. Die Espig-Prokuristen Jörg Naumann und Hans-Jürgen Tost sind gleichzeitig die Vereinsvorsitzenden, die restlichen fünf Vereinsmitglieder gehören zur Familie Tost bzw. zur Espig-GmbH; das Vereins-Büro, die Espig-Bauleitung und Tosts neue Zweit-Firma „KTH Unternehmensberatung“ (die auf Empfehlung der Behörde gemeinnützigen Initiativen gegen Honorar Espig-Bauleistungen andient) nutzen die gleiche Telefonleitung und Adresse. Und Hans-Jürgen Tosts Mühe um sein Espig/Pusteblume- Projekt wird von der Behörde, laut Dr. Jürgen Nähter vom AfJ, „für die Zeit der Spitzenbelastung mit 70-80000 Mark“ honoriert — ein Zuschlag, den bisher nur Arbeiter- Samariter-Bund und Deutsches Rotes Kreuz erhielten.
Das erste Resultat dieser schönen Symbiose, den Kindergarten Fabriciusstraße, ehrte Jugendsenatorin Raab im August 1991 mit ihrem Besuch, und ein Kaffeeröster bedachte es auf Hinweis der Behörde mit der fürstlichen Spende von 50000 Mark. Inzwischen stehen auf Nähters Planungsliste fünf weitere Espig/Pusteblume-Projekte.
Während beim ersten Espig/Pusteblume-Deal rund 450000 Mark
1von der Behörde formal noch via Verein flossen, soll bei dem neuen Projekt im Kleinen Schäferkamp 19 auf diesen Umweg verzichtet, die Espig GmbH direkt Besitzerin des Grundstücks und des zu errichtenden Kinderhauses werden. Sie macht dann mit „Pusteblume“, d.h. mit sich selber, einen Mietvertrag auf 20 Jahre und kassiert weiter: Die sogenannte „Kostenmiete“, die u.a. Darlehens- und ähnliche Kapital-Umlagen enthält, wird über den Pflegesatz von Eltern und Behörde voll finanziert. Weil „die Personalkosten gering gehalten“ werden, so
1ein Behörden-Vermerk.
Das scheint sich zu rechnen. Die Espig GmbH konnte nach einem realisierten Projekt und einigen behörden-abgesegneten Planungen ihr Stammkapital im Dezember 1991 von 50000 auf 500000 Mark aufstocken. Schon gibt es, wie Nähter bestätigt, einen zweiten Kindergarten-Unternehmer ähnlicher Konstruktion. Diese klammheimliche Kommerzialisierung von Sozialleistungen hat allerdings einen Schönheitsfehler: Nicht nur das Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz, auch Strafgesetzbuch und Bürgerliches Ge-
1setzbuch stehen ihr entgegen. Jedenfalls meinen das die Leute vom „Sternipark“ und ihr Anwalt. Sie haben die Espig GmbH und „Pusteblume“ wegen Subventionsbetrugs angezeigt.
Auch Dr. Nähter muß wohl doch mal nachsehen, wo das für die Kinder bestimmte Geld landet: Auf eine frühere Anfrage der GAL-Abgeordneten Ulla Bussek hin hatte der Senat versprochen, die Angelegenheit zu prüfen. Das besorgt nun, sinnigerweise, die Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung selber. Ulla Küspert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen