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Gutachten zu Biosprit vorgelegtPflanzen sollen nachhaltig elektrisieren

Umweltpolitische Berater der Bundesregierung kritisieren die Förderung sogenannter Biokraftstoffe. Besser als der Anbau von Mais und Raps sei die Verwendung von Holzabfällen.

Die Gewinnung von Biokraftstoffen aus Raps soll ausgebremst werden. Bild: dpa

BERLIN taz Die umweltpolitischen Berater der Bundesregierung haben diese aufgerufen, die Förderung von Biokraftstoffen einzustellen. Biokraftstoffe der ersten Generation wie Biodiesel aus Raps oder Ethanol aus Mais seien für den Klimaschutz ungeeignet, erklärte Jürgen Schmid vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) am Mittwoch in einem neuen Gutachten. Darin untersuchen die Autoren die Nutzung von Pflanzen zur Energieproduktion sowohl unter ökologischer als auch unter entwicklungspolitischer Perspektive.

Rund zehn Prozent des Weltenergiebedarfs könnte nämlich mittelfristig aus pflanzlichen Reststoffen und Energiepflanzen gedeckt werden, erklärte das Gremium. Etwa ein Viertel des Potenzials aus Energiepflanzen liege in Mittel- und Südamerika, jeweils rund 15 Prozent in Afrika, Europa, Nordamerika und China sowie 6 Prozent in Indien. Allerdings drohe bei Ausschöpfung dieses Potenzials eine Gefährdung der Ernährungssicherheit, mahnten die Wissenschaftler vom WBGU. Sie forderten daher in ihrem Gutachten die Einführung von internationalen Nachhaltigkeitsstandards.

Zudem müssten die Treibhausbilanzen bei verschiedenen Arten von Biomasse genauer untersucht werden. Besser als Mais und Raps eigneten sich Gräser und Hölzer für die Energieproduktion. Denn ihre Wurzeln blieben längere Zeit in der Erde, was sich positiv auf die Kohlenstoffbilanzen auswirke.

Den größten Beitrag zum Klimaschutz leistet die Bioenergie laut Gutachten bei der Stromproduktion, vor allem wenn sowohl Elektrizität als auch die anfallende Wärme genutzt würden. Die Energieversorger sollten dabei auf Reststoffe wie Holzabfälle, Gülle oder Stroh setzen, da diese ideale Energieträger seien und ihre Nutzung kaum Risiken für Böden, Wasser oder Klima berge. Zudem stünden sie nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmittelproduktionen.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) stimmte bei der Übergabe des Gutachtens zwar dem Beirat zu, dass "Nutzungskonkurrenzen zwischen Bioenergie und Lebensmittelproduktion zu vermeiden" seien. Die Regierung habe aber bereits die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, in Zukunft nur noch nachhaltig erzeugte Bioenergie staatlich zu fördern, erklärte er.

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4 Kommentare

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  • S
    snowie

    Bü.G: Ihr andauerndes Wiederkäuen der angeblichen Unverzichtbarkeit der radioaktiven Verstrahlungsindustrie macht Ihre Falschbehauptungen auch nicht verdaulicher. Wieviel Methan produzieren Sie eigentlich bei diesem Vorgang?

     

    Sie haben nur insoweit recht, als die meisten Regierungen bis heute überwiegend von zu falsch informierten und teilweise auch zu wenig mental innovationsbereiten Leuten (auch unter technisch gebildeten Leuten) gewählt werden, soweit sie überhaupt gewählt werden, und dadurch innovative ökologisch nachhaltige Verkehrskonzepte und Energiekonzepte und manch anderes bis heute in viel zu hohem Maße verhindert wird, so dass eine von AKW abhängige Energieerzeugung noch einige Jahre den Anschein von Alternativlosigkeit erwecken wird.

  • BS
    Benjamin Stuch (M.Eng)

    „Biosprit“, Menschenrechts- und Klimakiller

     

    Hat der Umweltbeirat der Bundesregierung nun ein wichtiges umwelt- und sozialpolitisches Zeichen der Nachhaltigkeit gesetzt?

    Nach intensiven Debatten der Arbeitsgruppen ist die heutige „Bio“ Diesel Produktion von Raps und Mais als unwirtschaftlich und kontrovers zu den Umweltzielen beurteilt worden. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung; ein wichtiges Zeichen ist es aber bei weitem nicht.

    Es fehlt an notwendiger Weitsicht. Klimaschutz muss global betrachtet werden und dort angreifen, wo starke Potentiale vorhanden sind. Und darin liegt die Schwachstelle des Gutachtens. Fatalerweise eröffnet es Perspektiven für die Destillation von Ethanol aus Zuckerrohr, Soja und Palmen. Die Anbaugebiete liegen im tropischen und subtropischen Gürtel. Also dort, wo Regenwälder zur Klimastabilisation beitragen und „hotsposts“ der Artenvielfalt liegen. Die dortigen Einwohner leben oft in existenzieller Armut, mit all damit verbundenen mittelbaren und unmittelbaren Folgen. Es sind Schwerpunktsgebiete der internationalen Zusammenarbeit.

     

    Anerkannte Nachhaltigkeitsexperten sehen sehr weitreichende sozial- und umweltpolitische Probleme durch den Anbau von Zuckerrohr, Soja und Palmen als Ethanolquelle für europäische Märkte. Die Verwendung von tropischen „Biosprit“ würde die CO2 Bilanz Deutschlands –wenn auch nur sehr bescheiden- verbessern, allerdings nur dann, wenn der produktionsbedingte CO2 Ausstoß unberücksichtigt bleibt. Bilanziert man jedoch ganzheitlich, und dies ist bei Klimaschutzfragen zwingend notwendig, verursacht die Ethanolgewinnung erhebliche, negative Auswirkungen auf nachhaltige Entwicklungsstrukturen. Die globale CO2 Bilanz verschlechtert sich, der Klimawandel wird verstärkt.

     

    Zwei Szenarien sollen die Konsequenzen der „Biosprit“ Produktion kurz darlegen:

    1. Urwaldflächen werden brandgerodet um Pflanzen zur Ethanoldestillierung anzubauen. Die Zerstörung und Defragmentierung setzt große Mengen an Treibhausgasen frei und übersteigt die Menge an eingesparten Treibhausgasen durch die Ethanolverbrennung (anstelle fossiler Kraftstoffe) für Jahrhunderte. Die Nährstoffarmen Böden erlauben keine nachhaltigen Ernten. Als Folge müsste entweder Düngemittel unter hohem energetischen Aufwand produziert und auf die Anbauflächen ausgebracht oder neue Flächen brandgerodet werden. In beiden Fällen verschlechtert sich die CO2 Bilanz weiter, der Klimawandel, mit all der verheerenden Folgen wird verstärkt.

     

    2. Bestehende Anbauflächen zur Nahrungsmittelproduktion werden für den Anbau von „Biospritpflanzen“ umstrukturiert. Daraus resultieren soziale Brennpunkte, hervorgerufen durch erhöhte Nahrungsmittelpreise, mangelnde Nahrungsmittelsicherheit und Hungersnöte. Laut Weltbank ist der „Biosprit“ Boom für 75% der letzten Nahrungsmittelpreiserhöhung verantwortlich. Die Armutsspirale verstärkt sich und politische Instabilität breitet sich aus, mit enormen globalen Folgen. Das kleinste Übel scheint paradoxerweise, daß in angesichts potentieller bürgerkriegsähnlicher Zustände der Anbau und die Lieferung von „Biosprit“ nach Europa (Auslöser der Probleme) ausbleibt. Die Ungerechtigkeit und Treibhausgase bleiben.

     

    Die Konsequenzen schwindender Regenwälder und verstärkter Armut sind angesichts der Komplexität nachhaltiger Entwicklungsstrukturen noch viel, viel weitreichender als hier beschrieben. Diese kurze Darlegung sollte jedoch ausreichen, das Absurdum an der Einfuhr von „Biosprit“ als Klimaschutzmaßnahme aufzuzeigen.

     

    Bei allen Debatten darf die Öffentlichkeit und Politik das global übergeordnete Ziel nicht aus den Augen verlieren. Das Klima muss im Interesse Aller schnellstmöglich stabilisiert, die Armut bekämpft und die Menschenrechte bewart und weiter umgesetzt werden.

    Der Import von Ethanol aus tropischen und subtropischen Ländern ist äußerst kontraproduktiv zu dem Klimaziel, das durch die Ethanoleinfuhr verfolgt wird. Hoffentlich übernimmt die Politik Verantwortung und setzt konsequente umwelt- und sozialpolitische Zeichen der Nachhaltigkeit.

    „Biosprit“ darf nicht zum Menschenrechts- und Klimakiller werden.

  • BG
    Bürger G.

    @zapatista:"Außerdem sollten bis 2020 mindestens 80% aller stabilen & unverschatteten Dachflächen in ganz Deutschland (und möglichst natürlich auch anderswo) mit Solarzellen ausgestattet sein, so dass mehr Fahrzeuge mit Ökostrom statt Agrosprit fahren können."

    ....ach so und der Strom für´s Internet, Belechtung, Industrie, etc. kommt dann aber hoffentlich von Kernkraftwerken :-)

  • E
    emiliozapatista

    Die Kritikerinnen u. Kritiker haben völlig recht. Die bisherigen Maßnahmen der Regierungen sind völlig unzureichend. Immer noch wird Palmöl (auch für Waschmittel, Seife, Lebensmittel (pflanzliche Öle heißt das dann harmlos klingend) aus pestizidvergifteten, erosionsbeschleunigenden nitratkunstdüngerbelasteten Monokulturen importiert, für die zuvor unschätzbare Urwälder abgeholzt wurden, Menschen, Orang Utans und andere Lebewesen vertrieben wurden etc. von Kolumbien bis Borneo, von Brasilien bis Kamerun u.s.w.

     

    Neben dem Stop der Zerstörung sollten zugleich nachhaltige Aufforstungsprojekte viel mehr gefördert werden, wie z.B:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Afrikas_Gr%C3%BCne_Mauer_im_Sahel

     

    Außerdem sollten bis 2020 mindestens 80% aller stabilen & unverschatteten Dachflächen in ganz Deutschland (und möglichst natürlich auch anderswo) mit Solarzellen ausgestattet sein, so dass mehr Fahrzeuge mit Ökostrom statt Agrosprit fahren können. Dafür wäre ein umfangreiches New Deal Programm nötig. Das EEG reicht dafür nicht.