Guns N' Roses in Hannover: Die Rockgötter und der Donner
Erst sah es so aus, als würden Guns N' Roses das Konzert in Hannover mal wieder vermasseln. Dann kriegten sie die Kurve. Wie das?
Guns N’ Roses und Hannover, eine schwierige Beziehung. Einen Gig der Band vor fast genau 25 Jahren, damals auch schon nicht mehr ganz in Originalbesetzung, brachte der von hannöverscher Tristesse, seinem Rockstarschicksal oder irgendwelchen Lutschbonbons schwer gebeutelte W. Axl Rose im Niedersachsenstadion nur mit viel Kopfhängerei, sitzend auf dem Drumpodest rum.
Selbst ein Mann mit protestantischem Arbeitsethos wie Slash verlor da irgendwann die Fassung und vergeigte das Signature-Intro von „Sweet Child O’ Mine“ aufs Erniedrigendste. Es war ein mittleres Fiasko. Und es gibt durchaus ein paar, die das nicht vergessen können. Eine Veteranin am Bierstand belauschte die Lästereien meiner Bezugsgruppe über die vergangene Schmach und knurrte zustimmend. „Die haben hier echt was gutzumachen.“
Aber die „Gunners“ – auf ironischer „Not in This Lifetime … Tour“, weil vor allem Slash und Rose es kategorisch ausgeschlossen hatten, mit dem jeweils anderen noch einmal auf einer Bühne stehen zu wollen – schienen es zunächst nicht darauf anzulegen.
Soundklumpatsch zu Beginn
Die vom Support, Killing Joke, eher mäßig euphorisierten 75.000 Menschen, die zur Hälfte aus Sensationslust mitgekommen waren und Guns N’ Roses vor allem wegen „November Rain“ und der einen oder anderen Skandalmeldung kannten, sahen am Donnerstagabend eine Band, die offenbar nahtlos an den Abend vor einem Vierteljahrhundert anknüpfen wollte.
Selbst in diesem undifferenzierten Soundklumpatsch konnte man hören, dass Axl Rose sich nicht wirklich gefreut hatte auf Songs wie „It’s So Easy“ und „Mr. Brownstone“. Auch wenn er grimassierte und fuchtelte – seine Intonation sagte etwas ganz anderes. Und über „Chinese Democracy“, den Titelsong des am längsten angekündigten Murksalbums der Rockgeschichte, freute sich gleich gar keiner.
Zum Glück spielte in diesem Jahr das Wetter mit. Gerade als Slash sich in die Einleitungsphrase von „Welcome to the Jungle“ hineinzuarbeiten begann, unterbrach die Konzertleitung die Veranstaltung.
Keine Minute zu früh, denn plötzlich wütete ein sehenswertes Donnerwetter über dem Festival, das ein paar Stunden vorher schon das – nomen est omen – Hurricane Festival in Scheeßel durcheinandergebracht hatte. Man trollte in die Messehallen und delektierte sich an der Scheinapokalypse. Unmittelbar dazu gehörten auch die ziemlich verwegen duftenden Dixis.
Wiedererwachen nach dem Weltuntergang
Gut anderthalb Stunden später standen wieder alle vor der Bühne, warteten auf den zweiten Teil und pfiffen sich eins, weil es nicht weiterging. Noch zögerten die Verantwortlichen, denn da oben dräute es schon wieder weltuntergangsmäßig. Für einen Moment sah es tatsächlich danach aus, als wollte man abbrechen. Die ersten sarkastischen Sprüche der Weitgereisten sorgten für solidarische Lacher.
Der Rohrstock ist immer noch die einzige Pädagogik, die eine Band wie Guns N’ Roses versteht. Im drohenden Scheitern erinnerte man sich auf einmal wieder daran, dass man einen Job zu tun hatte. Dass die vielen Menschen zwar wegen ihnen, dass sie aber auch wegen der vielen Menschen gekommen waren. Also gingen Axl Rose, Slash, Duff McKagan und ihre diversen Mietmucker raus auf die Bühne und rissen sich verdammt noch mal am Riemen.
Das ist die romantische Interpretation. Vielleicht gab es in der Zwangspause auch einfach nur was Gutes zu schnüffeln. Sicher ist jedenfalls, dass die Band danach eine fulminante Version von „Welcome to the Jungle“ über den Bühnenrand wuchtete (noch dazu in einem Sound, der einen die Qualität erkennen ließ) und danach ein gutes, engagiertes Konzert gab, das sogar ein paar beglückende Momente bereithielt.
Vor allem Slash spielte sich bald warm, und man ahnte, dass er als Sieger aus den Reunion-Verhandlungen hervorgetreten war. Neben seinen ohnehin schon recht weitschweifigen Leadgitarren-Exkursionen drehte er diverse Solopirouetten, in denen er mit überraschenden Anspielungen – auf „Voodoo Chile (Slight Return)“, „Johnny B. Goode“ oder „Wish You Were Here“ – seinen Kanon abzustecken versuchte.
Ohnehin war es mit mehr als einem Drittel Coversongs ein Abend der Verbeugungen, die diesen Super-Egos gar nicht so schlecht stand. Spätestens als Axl „a friend of mine“, nämlich Angus Young von AC/DC, auf die Bühne bat, um mit ihm „Whole Lotta Rosie“ und „Riff Raff“ runterzuholzen, war klar, was am Anfang dieses kuriosen Abends kaum einer für möglich gehalten hätte. Sie hatten tatsächlich etwas wieder gutgemacht.
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