: Guatemala: Verschleppt, verstümmelt, ermordet
Innerhalb von zwei Tagen wurden in Guatemala-Stadt sieben verschleppte Personen, sechs oppositionelle Studenten und ein Lehrer, ermordet aufgefunden / Mutmaßlicher Täter ist der militärische Geheimdienst des christdemokratisch regierten Landes ■ Aus Guatemala Ralf Leonhard
Vier am Sonntag aufgefundene Opfer von Todesschwadronen waren noch nicht zu Grabe getragen, als am Montag weitere drei Leichen mit schweren Folterspuren am Rande von Guatemala-Stadt aufgefunden wurden. Zweien der noch nicht identifizierten Männer hatten die Henker die Hände abgehackt. Alle drei wiesen Stichwunden auf und wurden mit einem Genickschuß getötet.
Die vier Toten vom Sonntag, die in den vorangegangenen Tagen unabhängig voneinander in drei verschiedenen Stadtvierteln verschleppt worden waren, sind offenbar wegen ihrer politischen Aktivitäten an der Universität ermordet worden. Der 46jährige Carlos Humberto Cabrera hatte beim erst im August beigelegten Lehrerstreik - mit 81 Tagen der längste der Geschichte des Landes - eine Rolle gespielt. Schon früher politisch verfolgt, hatte er lange Zeit im Exil gelebt und war erst unter der Amnestie von Präsident Cerezo vor wenigen Jahren nach Guatemala zurückgekehrt.
Das Ehepaar Victor Hugo Jaramillo und Silvia Azurdia, beide 33, hatte an der Nationaluniversität studiert und eine eigene Gruppe organisiert. Sie waren bereits am 23. August entführt worden. Zahlreiche Augenzeugen hatten der Polizei Personenbeschreibungen und auch die Nummernschilder der Fluchtautos geliefert. Das vierte Opfer vom Sonntag, Leonel Chuta Camey, 30 Jahre, war in der Studentenvertretung der juristischen Fakultät aktiv. Von weiteren sieben Studenten darunter zwei Führer der Studentenvereinigung AEU -, die in den letzten Tagen ebenfalls verschleppt wurden, fehlt noch jede Spur. Ein Student, Edgar Quinonez, Mitarbeiter der Tageszeitung 'La Hora‘, hat nach Todesdrohungen paramilitärischer Gruppen in der spanischen Botschaft Schutz gesucht und will das Land verlassen.
Studienkollegen der Ermordeten hegen keinen Zweifel, wer Entführungen und Morde anordnet und durchführt: der G-2. Auch die guatemaltekische Menschenrechtsorganisation machte den berüchtigten Geheimdienst der Streitkräfte, für den das Kürzel steht, verantwortlich. Sie zeigt sich über die fehlenden Ermittlungsbemühungen der Polizei „tief besorgt“. Die Militärs sollen die Studenten verdächtigt haben, eine Zelle einer neuen Stadtguerilla aufzubauen. Die Struktur der Rebellen in der Hauptstadt ist in den Jahren 1982 bis 1985 nachhaltig zerschlagen worden.
Die Welle der Gewalt beschäftigt inzwischen auch das Parlament, wo der sozialdemokratische Abgeordnete Vasquez am Montag „für jene Kidnapper und Mörder, die mit dieser Blutorgie zu tun haben“, die Todesstrafe forderte. Die regierenden Christdemokraten, die keinen Schritt ohne Zustimmung der allmächtigen Militärs unternehmen können, haben hingegen die Verhängung des Ausnahmezustands angekündigt; den Sicherheitskräften würden damit noch mehr Vollmachten eingeräumt.
Victor Hugo Godoy von der größten Oppositionsfraktion, der Zentrumsunion UCN, verlangte seinerseits die Entsendung eines Sonderberichterstatters für Menschenrechte der Vereinten Nationen. Die UNO-Menschenrechtskommission in Genf entsendet solche Experten in Länder, in denen die Menschenrechte systematisch verletzt werden. Nach 20 Jahren offener Militärherrschaft konnte es die gewählte christdemokratische Regierung als einen ihrer außenpolitischen Erfolge verbuchen, daß Guatemala 1987 von dieser Liste gestrichen wurde. Auch Innenminister Roberto Valle Valdizan, der im Vorjahr auf Druck der Armee den Christdemokraten Juan Jose Rodil ablöste, hat einen Verdacht, wer hinter den Barbareien stecke: „Gewisse Kreise, die daran interessiert sind, die Regierung ineffizient erscheinen zu lassen“.
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