Press-Schlag: Gruß vom Murmeltier
■ Wieder Wecker, wieder Bus, wieder keine Abfahrt – und nirgends Andie McDowell
Diesmal nannte sich der Tag also Donnerstag. Um sechs schellte der Wecker. Wieder kaum Schlaf, wieder Bus, wieder warten auf den Wettbewerb. Dafür kazé und fubúki, was Wind und Schneegestöber heißt – japanisches Muß für Alpinschreiber. Diesmal handelte es sich mal wieder um die Männerabfahrt. Der Versuch, sie auszutragen, endete genau wie sieben andere alpine Versuche vorher. Er scheiterte. Langsam erinnert das die Olympiajournalisten stark an jenen Film, in dem der Reporter Bill Murray jeden Morgen vom Radiowecker aus dem Schlaf gerissen wird und sich jedesmal derselbe Tag wiederholt.
Erst kommt immer der Auftritt des Monster-Maiers aus Österreich, der jammert, weil er nicht fahren darf. Dann werden Witze gemacht. Der böse seishin sei schuld, der im oberen Teil der Abfahrtsstrecke hause. Seishin heißt Geist – ach, hätte man nur nie den Start in das Naturschutzgebiet verlegt. Ob man Sumokönig Akebono bitten sollte, er möge dort oben mal kräftig aufstampfen? Aber wo ist der? Der soll doch geheiratet haben zwei Tage nach der Eröffnungsfeier, dann wird er ja wohl in den Flitterwochen sein.
Irgendwann betritt dann Karl Schranz die Szene, dem das Wetter zu gefallen scheint. Weil nix ist, darf der alte „Löwe vom Arlberg“ seine olympischen Geschichten erzählen. Von anno 1968, als sie ihm in Grenoble das schon gewonnene Slalomgold aberkannten wegen eines nie bewiesenen Fahrfehlers im Nebel. Oder von anno 1972 in Sapporo, als ihn der damalige IOC-Chef Avery Brundage kurz vor Beginn der Spiele disqualifizierte wegen eines Verstoßes gegen den Amateurstatus. Für ein koffeinhaltiges Heißgetränk soll der Schranz geworben haben – hat er? Längst kalter Kaffee. Eigentlich.
Heute nennt der Tag sich Freitag. Um sechs schellt der Wecker. Wieder kaum Schlaf, wieder Bus, wieder warten – wieder keine Abfahrt? Dem Reporter in „Und täglich grüßt das Murmeltier“ ging es genauso dreckig, aber der war wenigstens in Gesellschaft von Andie McDowell. Auf unsereinen wartet draußen in Hakuba bloß der Karli Schranz. Ralf Mittmann, Nagano
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