Grundsatzurteil zur E-Zigarette: Nikotin-Liquid ist kein Arzneimittel
Im Streit um die E-Zigarette hat ein Oberverwaltungsgericht in Nordrhein-Westfalen gegen mehrere Behörden entschieden. Nun ist Brüssel dran.
MÜNSTER dpa | Das Oberverwaltungsgericht im nordrhein-westfälischen Münster hat ein Grundsatzurteil gesprochen. Nikotinhaltige Flüssigkeiten, die zum genussvollen Verdampfen in E-Zigaretten produziert werden, sind keine Arzneimittel.
Vor Gericht flossen Freudentränen: Eine Kauffrau hatte nach einer Entscheidung der Stadt Wuppertal ihre zwei Geschäfte schließen müssen. Jetzt darf sie die umstrittenen E-Zigaretten wieder verkaufen. Dies war einer der drei Fälle (Aktenzeichen: 13 A 2448/12, 13 A 2541/12 und 13 A 1100/12), über die das Gericht am Dienstag zum Thema E-Zigaretten beriet.
Das Urteil aus Münster aber ist längst nicht das Ende der Geschichte. Zum Umgang mit E-Zigaretten gibt es kontroverse Meinungen: Genussmittel oder Arzneimittel? Und gilt die Tabakverordnung? Die Verteidiger aller Seiten zitieren die jeweils passenden juristischen Stellen.
Die Stoffe würden keine therapeutische Wirkung haben, sagen die Gegner der Arzneimittel-Variante. Das sah nun auch das Gericht in Münster so.
Die Befürworter entgegnen, dass auch die Anti-Babypille keine therapeutische Wirkung habe. Trotzdem würde niemand daran zweifeln, dass sie ein Arzneimittel sei.
Hilfe soll jetzt aus Brüssel kommen. Die EU-Gesundheitsminister hatten im Juni Pläne für ein Anti-Rauch-Gesetz vorgestellt. Demnach wollen die Minister die E-Zigaretten nicht grundsätzlich verbieten, aber den Verkauf einschränken.
Nikotin-Menge ist entscheidend
Ab einer bestimmten Nikotin-Menge sollen die Produkte wie ein Medikament behandelt werden - und bräuchten dann auch die entsprechende Zulassung. Bei geringem Nikotingehalt würden die gleichen Auflagen wie für normale Zigaretten gelten.
Sollte das EU-Parlament diesen Plänen zustimmen, hätte Deutschland nach Aussage eines Gerichtssprechers in Münster 18 Monate Zeit, das EU-Recht in nationales Recht umzusetzen. Erst dann wäre in Deutschland vom Gesetzgeber die Ansicht festgeklopft, die die Stadt Wuppertal, das Land NRW und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vertreten.
Bis dahin aber bleiben viele Unsicherheiten. Das OVG in Münster hat in den drei Verfahren Revision zugelassen. Das Land NRW kündigte auch unmittelbar nach dem Urteil an, entsprechende Rechtsmittel zu prüfen. So wird nicht Brüssel, sondern im nächsten Schritt das Bundesverwaltungsgericht das Thema E-Zigaretten prüfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Wie er die US-Wahl gewann
Die Methode Trump